GV 86 20 Alle Offiziere und Mannschaften des Beur- laubtenstandes wurden nach ihren bisherigen Wohnsitzen entlassen, um ihren bürgerlichen Be- rufen wieder nachgehen zu können. Uber die Unterbringung der Offiziere und Mannschaften in den beiden Gefangenenlagern Okanjande und Aus liegen Berichte des ameri- kanischen Generalkonsuls in Kapstadt vor, der die Lager Anfung 1916 besuchte. Aus diesen Be- richten geht hervor, daß die Unterbringungsver- hältnisse im Offiziergefangenenlager Okanjande, von einigen wünschenswerten Anderungen abge- sehen, im allgemeinen als befriedigende zu be- secichnen seien, im Lager Aus dagegen noch umfangreicherer Verbesserungen bedürften. Während in Okanjande die Offiziere in den dort befindlichen Gebäuden untergebracht werden konnten, standen hierzu in Aus nur Zelte zur Verfügung. Diese böten gegen die mit der Höhenlage von Aus verbundenen hohen Tempe- raturunterschiede zwischen Tag und Nacht und gegen die dort vielfach herrschenden Sandstürme nicht genügend Schutz. Aus shäter hierher- gelangten Mitteilungen ist jedoch zu ersehen, daß inzwischen durch die internierten Mannschaften selbst eine größere Anzahl Gebäude aus Luft- ziegeln errichtet worden sind, wodurch eine Ver- besserung der Unterbringungsverhältnisse erzielt wurde. Auch die anfänglich unzureichende Wasser- versorgung soll später gut und ausreichend ge- worden sein. Das Wasser wird vom Dorfe Aus durch ein Pumpwerk in große eiserne Behälter geleitet und von da üÜber das Lager verteilt. Die in Okanjande befindlichen Offiziere ver- pflegen sich selbst. Es bestehl ein Kasinoausschuß, der den Ankauf der Nahrungsmittel und die Küche beaussichtigt. Für das Lager in Aus wird die Verpflegung geliefert; die Zubereitung erfolgt jedoch von den Mannschaften selbst. Die gesundheitlichen Verhältnisse werden an beiden Orten als gut bezeichnet. Wenn auch in Aus einige Fälle von Blinddarmentzündung vor- gekommen seien, auch Rheumatismus häufiger auftrete, so seien Todesfälle bisher (d. h. bis zum Tage der Lagerbesichtigung) nicht zu verzeichnen gewesen. Leute, die infolge von Herzerkrankungen das Höhenklima von Aus nicht vertrügen, würden an die See nach Lüderitzbucht beurlaubt. Das gleiche gelte für die in Okanjande befindlichen Offiziere, denen zwecks ärztlicher Behandlung und zur Luftveränderung Urlaub nach Swakopmund bewilligt würde. Gelegenheit zu Leibesübungen sei in beiden Lagern ausreichend vorhanden und es werde ein umfangreicher Gebrauch davon gemacht. Die Offiziere in Okanjande könnten sich außerdem mit Genehmigung des Kommandanten unbehindert in der Nähe des Lagers bewegen. Einen Hauptklagepunkt bildet jedoch die Art und Weise der Handhabung des Postverkehrs der Gefangenen. Es lag nahe, daß Oiffiziere wie Mannschaften nach ihrer Unterbringung an den Internierungs- orten das Bedürfnis fühlten, nach langer Zeit ihren Angehörigen in der Heimat Nachrichten zu senden und solche von dort zu empfangen. Diesem durch die Haager Konvention völkerrecht- lich geregelten Postverkehr wurden von vorn- herein große Schwierigkeiten bereitet. Abgesehen davon, daß die Beförderung und Aushändigung der Postsendungen ungewöhnlich lange Zeit in Anspruch nahm, viele Brief= und Paketsendungen überhaupt nicht, und letztere vielfach ihres In- halts ganz oder teilweise beraubt ankamen, ging die Regierung der Südafrikanischen Union sogar soweit, die völkerrechtlich für die Kriegsgefangenen- sendungen festgesetzte Porto= und Zollfreiheit auf- zuheben und diese Maßnahme nicht nur auf die in frei gewählten Orten untergebrachten und die nach ihren früheren Wohnsitzen entlassenen, sondern auch auf die in den Gefangenenlagern internierten Offiziere und Mannschaften auszudehnen. Infolge der mangelhaften Verbindung mit Südwestafrika und der weiten Entfernung wurden diese von der südafrilanischen Regierung ge- troffenen, gänslich völkerrech igen Maß erst sehr spät in Deutschland bekannt. Eine amt- liche Bestätigung darüber traf erst im November 1916 hier ein. Unmittelbar darauf hier unter- nommene Schritte haben bis jetzt die Aufhebung dieser völkerrechtswidrigen Anordnungen der Re- gierung der Südafrikanischen Union noch nicht durchzusetzen vermocht. lber die politischen und wirtschaftlichen Ver- hältnisse in Südwestafrika sind wir wenig unter- richtet. Aus den spärlichen Privatnachrichten läßt sich ein klares Bild der Lage nicht erkennen. Die deutschen Gesetze und Verordnungen sind im allgemeinen in Geltung geblieben. Immerhin sind auf den verschiedensten Gebieten der öffent- lichen Verwaltungstätigkeit zum Teil recht wesent- liche und in die Gewohnheiten und das Wirt- schaftsleben des Schutzgebiets tief einschneidende Veränderungen eingeführt worden. Im nach- folgenden wird versucht, eine kurze Darstellung der gesetzgeberischen Tätigkeit der englischen Be- hörden in dem besetzten Schutzgebiete zu geben, soweit dies an Hand der unvollständigen Unter- lagen möglich ist. Geld-, Zoll= und Steuerwesen. Die in der Südafrikanischen Union geltenden Zoll= und Steuergesetze sind mutatis mutandis auf das Protektorat von Südwestafrika für an-