G 135 20 Unterlagen zur Verteidigung des Kongostaates in nur bei ganz seltenen Gelegenheiten") und ganz den Kammern liefern. Prüft man an der Hand der im belgischen Kolonialministerium aufbewahrten Strafakten die latsächlichen Verhältnisse näher, und geht man den einzelnen Fällen nach, so ergibt sich doch namentlich hinsichtlich der wirklich erfolgten Be- strafung von schweren Ausschreitungen gegen die Eingeborenen öfters ein wesentlich anderes Bild, als dasjenige es ist, das solche amtlichen Verlaut- barungen zu erwecken sich bemühten. Zwischen Belgien und dem Kongo entwickelte sich im Laufe der Jahre ein rasch zunehmender Personenverkehr. Immer mehr Beamte wurden angestellt, die zahlreichen Erwerbsgesellschaften bedingten ein immer größer werdendes Personal, jeder Postdampfer brachte weitere Angestellte und führte andere in die Heimat zurück. Die Ver- mutung läge doch nahe, daß ein solcher reger Personenverkehr es dem Kongostaat im Interesse einer geordneten Justizpflege hätte erwünscht er- scheinen lassen müssen, gerade mit Belgien so bald die großen läßt man laufen“ verfahren. als möglich einen Auslieferungsvertrag abzu- Duldung und Billigung der Vorgesetzten die Ein- schließen, der es ihm ermöglichte, diejenigen, die sich am Kongo irgendeines Verbrechens Vergehens hatten zuschulden kommen lassen, im Mutterland zu verfolgen und vor seine Gerichte zu ziehen, nachdem es ihnen auf die eine oder andere Weise vorläufig gelungen war, sich der kongolesischen Instiz zu entziehen. oder Mit Portugal und dessen Kolonien hatte der Kongostaat bereits am 27. April 1888, Deutschland am 25. Juli 1890, mit mit Liberia am 21. November 1894, mit Spanien am 30. Juli 1895, einen solchen wechselseitigen Auslieferungsvertrag mit Frankreich am 18. November 1899 zur Anwendung kamen, zustande gebracht. Aber mit dem ihm am nächsten stehenden Belgien wurde ein solcher Vertrag höchst auffälligerweise erst am 20. Dezember 1898 ab- geschlossen. Den legislativen Maßnahme gab, schließlichen Anstoß zu dieser wie besonders her- vorgehoben zu werden verdient, auch nicht etwa ein am Kongo vorgekommenes Verbrechen, sondern, wie die Akten ergeben, ein in Gent durch einen begangener Doppelmord. Der Mann war im Dezember 1900 in contumaciam zum Tode ver- mieilt worden. Von der niederländischen Re- gierung wurde er auch gesucht und sie nahm an, daß er vielleicht nach dem Kongo geflüchtet sein könne. Erst als vom Haag ein diesbezüglicher Msslieferungsantrag in Brüssel gestellt wurde, entschloß man sich dort, einen förmlichen Aus- lieferungsvertrag zrichen dem Kongostaat und Belgien abzuschließen „Wie aber wurde nun dieser Vertrag gehand- abt? Er wurde, wie aus den Akten hervorgeht, besonders kaum in den Fällen zur Anwendung gebracht, wenn es sich um Verbrechen der hier in Rede stehenden Art handelte. Zur Blütezeit des leopoldinischen Systems der Kantschukausbentung des Kongo erscheint es fast als Regel, daß die Agenten des Staates oder der Gesellschaften, mit denen die Gerichte wegen Ver- gewaltigung der Eingeborenen sich zu beschäftigen hatten, nur zu leicht Gelegenheit fanden, unter Gesundheitsvorwänden den Kongo zu verlassen, namentlich, wenn ihnen von irgendeiner Seite eine rechtzeitige Warnung zugekommen war, ehe zu einer Verhaftung geschritten werden konnte, und daß sie dann in Belgien trotz des bestehenden Auslieferungsvertrages unbehelligt blieben. Na- mentlich galt das in Fällen, bei denen Offiziere oder höhere Beamte in solche Vorkommnisse ver- wickelt waren. Dann wurde nur zu häufig nach dem Sprichwort „die kleinen Diebe hängt man, Die untergeordneten Beamten, die unter offenbarer geborenen zur möglichst ausgiebigen Kautschuk- lieferung unter Anwendung der vorschriftswidrigsten Mittel „angeregt“ hatten, wurden gegebenenfalls zur Verantwortung gezogen, die Vorgesetzten aber, unter deren stillen Duldung und Mitwissenschaft die Grausamkeiten begangen worden waren, ließ man unbehelligt, namentlich, wenn sie sich in Belgien befanden und sich hüteten, nach dem Kongo zurückzukehren. Die Akten ergeben, daß auch die übrigen Auslieferungsverträge fast nur in solchen Fällen in denen es sich um Polizei= und Untersuchungsgefangene handelte, denen es gelungen war, aus dem Gefängnis in Boma alf portugiesisches Gebiet zu flüchten. Vier solche Fälle waren in den Akten bis 1908 zu finden. *) Soweit die begüglichen Akten erkennen lassen, ist der Auslieferungsvertrag zwischen dem Kongostaat und Belgien bis zur zeit der Annexion des ersteren . · « nur Kweimal zur praktischen Anwendung gekommen. schon vielfach vorbestrasten Holländer Dejong worden war. Das eine Mal im Fall eines Exbankiers Van den Dal aus Brüssel, der zahlreiche Kunden betrogen hatte und deshalb dort zu acht Jahren Gefängnis verurteilt Er war nach dem Kongo entflohen, wo er bei einer Gesellschaft Stellung gefunden hatte. Der zweite Fall betraf einen Exagenten der Magnzins Cnéraux, Rhein, Franzose von Geburt, der in Ma- tadi seiner Gesellschaft 9600 Fr. in Waren und Geld nunterschlagen hatte und deshalb zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Es gelang ihm. nach Frankreich zu entflichen, wo er als Franzose nicht ausgeliefert werden konnte. Schließlich tauchte er in Brüssel auf, wurde dort verhaftet und auf telegraphi- schen Antrag von Boma aus am 16. Juli 1900 von Antwerpen nach dort verschifft, um seine Strafe zu verbüßen. — 2•