GW 179 20 deutschen Mißregierung zu erretten. Aber — da wir sie einmal errettet haben — sollen wir sie zurückgeben? Das ist eine ganz andere Frage, die einer sorgfältigen Erwägung bedarf.“ „. . Wenn wir in irgendeinem Grade erfolg- reich sind, dann, gestehe ich, würde ich mit Schau- dern den Gedanken betrachten, Eingeborene zurück- zuerstatten, die von einer derartigen Regierung be- freit worden waren.“ Meine Herren, ich bitte nun neben Lord Ro- bert Cecils Worte das politische Glaubensbe- kenntnis eines anderen Engländers stellen zu dürfen: „Jeder Engländer kommt mit einem wunder- baren Talisman zur Welt, der ihn zum Herrn der Erde macht. Wenn der Engländer etwas will, ge- steht er sich nie ein, daß er es will. Er wartet ge- duldig, bis in ihm — Gott weiß wie — die tiefe Übergeugung erwacht, daß es seine moralische und religiöse Pflicht sei, diejenigen zu unterwerfen, die das haben, was er will. Er ist nie in Verlegenheit um eine wirksame moralische Pose. Als großer Vorkämpfer der Freiheit und der nationalen Unab- hängigkeit erobert er die halbe Welt, ergreift Besitz von ihr und nennt das „Kolonisation“. Wenn er einen neuen Markt für seine schlechten Manchester- waren braucht, schickt er Missionare aus, die den Wilden das Evangelium verkünden müssen. Die Wilden töten den Missionar; nun eilt er zu den Waffen, zur Verteidigung des Christentums, kämpft und siegt für seinen Glauben und nimmt als gött- liche Belohnung den Markt in Besitz. Er führt Krieg aus patriotischem Grundsatz, er macht freie Völker zu Sklaven aus imperialistischem Grundsatz. Seine Losung ist dabei immer nur seine „Pflicht“. Und er vergißt nie, daß die Nation verloren ist, die ihre Pflicht dort sucht, wo nicht ihr Vorteil zu finden ist.“ Das sagt freilich kein wirklicher englischer Po- litiker, sondern das sagt ein Held aus einem Stück von Bernhard Shaw! Bernhard Shaw bewußt, Lord Robert Cecil unfreiwillig — ver- raten beide das Leitmotiv der englischen Politik, den primitiven Raubinstinkt vor der Welt und vor dem Gewissen des eigenen Volkes nicht nur zu rechtfertigen, sondern auch zu pflichtfertigen. Ich leugne nicht, es hat in der Geschichte Augenblicke gegeben, und ich kann mir wieder solche denken, wo Eroberer das Recht haben, sich als Befreier unterdrückter Völker auszugeben und wo ehrliche und starke philanthropische Kräfte hinter diesem Anspruch stehen. Aber bei der Er— oberung der afrikanischen deutschen Kolonien ist die Befreiergeste eine Heuchelei, die sich nicht einmal die Mühe nimmt, anständig verschleiert aufzutreten. Es wäre unserseits pharisäisch und undeutsch, wollten wir leugnen, daß wir — wie jedes Volk in den Anfängen seiner Kolonial= politik — Fehler gemacht haben. Auch wir haben Mißerfolge gehabt, haben auf dem schwierigen Gebiet der Behandlung der Eingeborenen geirrt. Aber unsere Sündenliste ist bei weitem nicht so lang und so schwarz wie die englische. Und jeder koloniale Sachverständige weiß, daß mit dem Amts- antritt des Staatssekretärs Dernburg die deutsche Kolonialpolitik den ehrlichen Weg der Reform ge- gangen ist. Wie hätte sich Ostafrika drei Jahre lang verteidigen können, wenn die Neger nicht treu zu uns gehalten hätten. Sie waren treu, weil wir sie gerecht und human behandelt haben. Nur da, wo der Einfluß einer auf mißverstan- dener Humanität aufgebauten Eingeborenenpolitik wie in Britisch-Westafrika sich geltend gemacht und auf unsere Neger ansteckend gewirkt hat, an der Küste Kameruns, sind Verrätereien vorge- kommen. Woher hat Lord Robert Cecil seine Informa- tionen über die deutsche Kolonialpolitik? Hat er sich bei kolonialen englischen Sachverständigen er- kundigt, oder bezieht er seine Informationen aus- schließlich von dem Greuelbureau, das ihm auch das Märchen von der deutschen Leichenverwertungs- anstalt zur Verfügung gestellt hat? Nach diesem Glanzstück sollte er eigentlich etwas skeptisch gegen diese Informationsquelle sein. Hat aber Lord Cecil ehrliche englische Kenner kolonialer Ver- hältnisse gefragt, so sagt er mit Bewußtsein die Unwahrheit. Ich habe oft mit Gouverneuren der afrika- nischen Kolonien, auch der englischen, vor dem Kriege das Thema der Eingeborenenbehandlung besprochen. Ich weiß, wie sie über die deutsche Eingeborenenpolitik denken, ich will die Herren nicht nennen, denn die deutsche Anerkennung könnte sie in den Verdacht des Hochverrats bringen, wohin das deutsche Blut schon manchen englischen Patrioten gebracht hat. Dieses eine aber will ich sagen: Es herrschte unter uns volle UÜbereinstimmung, daß die Voraussetzung für eine