W 269 2 Gesamtleistungen und der eigenen Verdienste des Kongosouveräns wird man voraussichtlich hierbei vielfach nur auf eine Beweisführung e contrario angewiesen sein. Die Art und Weise, wie die öffentliche Meinung Europas und Amerikas über die eigentlichen Ab- sichten und Ziele des Königs lange Zeit in die Irre geführt, wie die Eifersucht Frankreichs und Englands im Interesse der Verwirklichung der königlichen Pläne gegeneinander ausgespielt, wie Portugal und Frankreich verhindert wurden, ge- meinsam gegen die Ziele der Associatidn vorzu- gehen, waren Meisterleistungen einer klugen Di- blomatie. sogar gelang, Bismarck im unklaren über die dort gehegten Absichten zu lassen und ihn direkt und indirekt der kongolesischen Politik nutzbar zu machen, dafür bieten die in früheren Artikeln") angeführten Belege genngsame Beweise. Als der König nach diesen schweren, aber unter den Rat- schlägen der oben genannten drei Männer erfolg- reichen Kämpfen um das Sein oder Nichtsein des Kongounternehmens sich von diesen treuen Rat- gebern trennte"") und seine höchst eigene Politik zu verfolgen begann, führte diese je länger je mehr zu schweren Mißerfolgen. So z. B. in den Interessekämpfen mit Frankreich und England um die ägyptischen Aquatorialprovinzen, ja auch schließlich in dem Streit mit Deutschland um die Grenzen am Kiwusee. In dieser späteren Periode konnte sich der un- beugsame Starrsinn und der vor keinem Hindernis zurückschreckende Optimismus des Kongosouveräns in politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ungehemmt ausleben. War schon Stanley offenbar nie völlig in die geheimen Abisichten Leopolds eingeweiht gewesen, so waren der Staats- sekretär, die Generalsekretäre in Brüssel, der Generalgouverneur in Boma bis hinab zu den unteren Beamten nur Handlanger, die nach seinen direkten Weisungen und Befehlen zu handeln hatten und die keine eigene Meinung mit Erfolg vertreten konnten. Das führte zu einer unge- heuren, letzten Endes resultatlosen Vergeudung von Geldern und Menschenleben, die vom Stand- bunkt der wahren Interessen des Kongostaates vernünftigerweise an anderen Stellen ungemein segensreich hätten wirken können. Die äußere *) Vgl. „Deutsches Kolonialblatt“ 1916, S. 136, 138 bis 141, 173 und die Sonderveröffentlichung „Aus den Archiven des belgischen Kolonialministeriums“. Berlin 1916, S. 53, 54 bis 57. 79. *7) Sanford, der sich wegen der neuen Do- manialpolitik des Königs mit diesem völlig überworfen atte, starb bereits am 21. Mai 1891, Banning im Juli 1898, Baron Lambermont am 6. Märg 1905, General Strauch, der sich nach. Beez bei Namur mrückge zogen hatte, am 7. Juni 1911. Wie es den in Brüssel tätigen Kräften Politik des Kongostaates etwa von 1889 an war wesentlich von der, wie Wauters sie scharf, aber zutreffend gekennzeichnet hat, „naiven“ Ideé ge- tragen, den weitausschauenden, zielbewußten Plänen Englands in Afrika mit Erfolg entgegen- treten und sie zugunsten von phantastischen Pro- jekten auf Agypten durchkrenzen zu können. Ein Vorhaben, doppelt verwunderlich bei einem Manne, von dem man doch annehmen kann, daß er durch seinen häufigen Aufenthalt in England mit dem Machtwillen und der Machtfülle Groß- britanniens ausreichend vertraut hätte sein müssen. 20 Jahre hindurch hat das auswärtige Departe- ment des Kongostaates notgedrungen den besten Teil seiner Kraft und Zeit darauf verwenden müssen, durch fortgesetzte Ableugnung und Be- streitung von Tatsachen, die schließlich doch nicht aus der Welt zu schaffen waren, durch kostspielige, auf die Dauer doch vergebliche Beeinflussungs= versuche der öffentlichen Meinung des In= und Auslandes mittels käuflicher oder gefälliger Federn diese politischen und wirtschaftlichen Ziele des Königs zu stützen. Wohl sind die ökonomischen Fortschritte, die der Kongostaat unter Leopold gemacht hat auf allen Gebieten, die seine Produktion fördern konnten, überraschend schnelle und große gewesen. Sie sind aber nicht ausschließliches Verdienst des Souveräns, sondern sind z. B., wie die Kongo- bahn, der Privatinitiative von Männern wie Thys u. a. zu verdanken. Ja selbst die Mittel und Wege, die den Kongostaat nach dem Willen seines Schöpfers schließlich zu einem Finanzunternehmen machten, das ihm den höchstmöglichen Ertrag bringen sollte, scheinen nicht immer dem Kopfe Leopolds entsprungen zu sein. In seiner Domanialpolitik, die sich über alle Regeln eines gesunden Kolonialwesens gleich- gültig hinwegsetzte und als nacktes Ausbentesystem schon deshalb zum schließlichen Scheitern verurteilt war, ahmte er nur das in Niederländisch-Indien bereits abgewirtschaftete Kultunrstelsel in etwas anderen Formen nach. Und auf dieses war er anscheinend nicht von selbst gekommen, sondern folgte darin nur den Ratschlägen des Vizegouver= neurs Coquilhat. Bei den Akten „42. Belgien"“ des Kolonialministeriums befindet sich unter „Ren- seignements de la situation financière et com- merciale de I’Etat du Conge“ eine eigenhändige, in abgerissenen und abgekürzten Sätzen hinge- worfene Instruktion des Königs an den Staats- sekretär vom 6. Mai 1891, in der diesem An- weisungen gegeben werden, wie der Kongostaat gegen die Angriffe, die sich schon damals gegen dessen Domanialsystem zu regen begannen, zu verteidigen ist. Der Staatssekretär wird beauf- tragt, nach diesem „Canevas“ eine Verteidigungs-