W 281 20 Veterinärmedizin. Nun hat auch in Mittelafrika eine sich steigernde Nachfrage nach Fleisch eingesetzt infolge der Anlage von europaischen Pflanzungen, Bergwerks-, Bahnbauunternehmungen, Truppenansammlungen mit ihrem Zustrom von schwargen Arbeitern, Soldaten und Dienstpersonal. Der Hauptabnehmer, der Ein- geborene, hat nun nicht ein Jnteresse an hochwertiger Beschaffenheit, sondern an möglichst reichlichem und preiswertem Angebot von Fleisch. In Mittelafrika ist nicht der gleiche eingehende Seuchenschutz vorhanden wie daheim, und viele, uus fremde Seuchen mußten von dem wenig zahlreichen tierärztlichen Personal noch ersorscht werden. Der lebhafter gewordene, keiner Einschränkung unterworfene Viehhandel förderte anßer- dem Verseuchung und Uiehsterben. Wir sehen, daß für Mittelafrika die wirtschaftlich betriebene Tiergucht vorläufig vor die Aufgabe gestellt ist, den vorhandenen Biehstapel durch ausgedehnten tierärztlichen Schutz nach Möglichkeit zu steigern und die dem Lande an- Vepaßte, zähe und genügsame Viehrasse zu erhalten und zu verbessern, falls sie nicht ohne Schaden und unter Aufwendungen, welche mit dem Ertrag im Ein- klang stehen, durch eine leistungsfähigere ersetzt werden lann. In den meisten Landschaften kommt der Aus- breitung der Zucht die Eignung des Eingeborenen als Tierzüchter entgegen. Ich habe mich in allen meinen Abhandlungen be- müht, zu zeigen, daß der Eingeborene Tier zucht treibt und die Tierhaltung die Ausnahme ist und einen Rückschritt bedentet. Die ganze Tierzucht baut sich natürlich auf extensiver Grundlage der Weidewirtschaft auf. Einen Ansatz zur Zufütterung mit gehauenem Gras findet man vereinzelt dort, wo die Knappheit der Weide dies bedingt, z. B. in Gebirgslandschaften. bei Stämmen, die den Dung verwenden, und vielfach in der Kälberaufzucht. Tierzucht treiben nicht nur die reinen Hirtenstämme der Watutzi. Fulbe, Massai und andere, sondern auch die Ackerbauvölker der Wanyamwezi, Wasukuma, 2% gaya. Germa, seßhafte Fulbe u. a. m. Die Grundlage der Tierzucht bei den Eingeborenen bildet die Auswahl der Bullen. Stärken werden nie von der Zucht aus- geschlossen. (Wie auch noch vor kurzem bei uns: schwache Tiere kommen außeidem weniger leicht hoch als bei uns.) Die Bullenkälber gut milchender Kühe Massai) oder der schwersien Kühe (Ackerbauer) werden ausgesucht, die übrigen ausgemerzt durch getrenntes Hüten (Watutzi) oder Kastration in jugendlichem Alier (Massai und an'ere). Nach einem Jahre werden im Wachstum zurückgebliebene Bullenlälber in gleicher Weise ausgeschieden. Einige Stämme bewerten sogar noch die Ersterzeugnisse der Bullen, ehe sie sich für den eigentlichen Stammhalter der Herde entscheiden (Massai und von Massai beeinflußte Ackerbauer). Ab- heehen von bewußter Inzestzucht, welche die Massai nach sehr guten Bullen gelegemlich treiben, ist man bestrebt, durch den Bullen der Herde frisches Blut zuzuführen: durch Austausch der Bullen, durch Erwerb von Jungbullen aus fremden Herden nach Lieblings- farben. Ferner wird auch durch Stärken frisches Blut Auge ührt durch Erwerb als Heiratsgut, Negelung von Erbschaften und durch Tausch gegen Ochsen beim Vieh- handel. Im allgemeinen wird auf zwanzig Kühe ein Bulle gerechnet. Die Kälber werden während der ersten drei bis fünf Lebensmonate im Kral unter Bäumen, oft unter einem Schutgdach gehalten, meist mit einer Leine be- festigt; während der ersten zehn bis vierzehn Tage bleibt die Kuh dauernd beim Kalb. Später geht sie mit der Herde und tränkt das Kalb morgens, abends — vielfach auch mittags — nach dem Melken. Die afrilanische Kuh läßt sich nur im Beisein des Kalbes melken. Vom dritten bis fünften Monat an werden die Kätber für sich gehütet, meist in Gemeinschaft mit dem Kleinvieh, bis sie mit zwei Jahren in die Herde eingestellt werden. Doch bestehen die Süüten Ver- schiedenheiten in dieser Beziehung. So lassen z. B. die Fulbe Togos die Kälber, welche vorher im Kral mit Gras gefüttert wurden, schon vom vierten bis sechsten Monat ab mit der Herde gehen und verhüten über Tag das Saugen durch einen auf die Nase ge- setzten Stachelkranz. Das Hüten, Putzen, Mellen der Rinder ist bei züchtenden Stämmen Männerarbeit. Nur Kleinvieh und Kälber werden oft von Knaben gehütet. Einfache Tierhaltung kann man sofort daran er- lennen, daß die Sorge um die Tiere Mädchen und Jungen überlassen ist. In Togo reiten diese die Rinder zur Weide. Dort läßt man das Kalb von Ge- burt an mit der Mutter gehen, sondert die zahlreichen Bullenkälber nicht von den Kühen und überläßt den etwas erwachsenen die Sorge für die Nachkommen- schaft, da man die erwachsenen bald schlachtet. Ge- molken wird nicht. (Obwohl dadurch die Kälber in den Genuß der Gesamtmilch kommen, sind sie insolge der steten Bewegung zurückgeblieben gegenüber den gleichaltrigen in Herden. welche melkenden Fulbes zur Hütung übergeben sind.) Sogar fehlerfreie Kühe werden in derartigen Haltungen geschlachtet. Vüchter- völker schlachten Kühe nur sterbend oder im Falle Unfruchtbarkeit. (Nach memen Boobachtungen euf Zyslen in den Eierstöcken beruhen Eine derartige Tierhaltung ist natürlich ein Grenz-= fall. Die Tierhaltung im Untercchied zur Tierzucht in Afrika ist gekennzeichnet dadurch. daß man alle er- zengten Bullen mit den Kühen laufen läßt. Die Entartung der Tierzucht zur Tierhaltung wird nach meinen Beobachtungen bedingt durch eine Herab- minderung des Interesses an der Zucht. Hauptgrund sind Seuchen, die den Bestand der Herden immer wieder vermindern, zweitens das Auflommen irgend- einer lohnenden Ackerbaukultur und damit wieder im Zusammenhang eine stärkere Heranziehung der Männer, die, wie wir gesehen, die eigentlichen Versorger der Haustiere sind. In früheren Zeiten mögen die Be- drängungen der Umwohnenden eine große Rolle ge- spielt haben, die den Züchtern einen Tribut an Vieh auferlegten und ihnen nun alljährlich die besten Stücke fortholten. Viertens bildeten bei Stämmen,. welche, von arabischen Sitten beeinflußt. Sinn für Luxus an Kleidung, Schmuck, Weibern und Pferden haben, die gesteigerte Nachfrage — etwa die Anlage von euro- päischen Pflanzungen — die Ulrsache, daß sie sich der Bullen entänsßern, ohne sie auswachsen zu lassen. Da ja in Afrika nicht nach Gewicht, sondern nach Stück verkauft und im Zwischenhandel viel verdient wird, wird diesem verwerflichen Arbeiten Vorschub geleistet. Schließlich ist für den Niedergang der Viehzucht in den frangösischen Kolonien noch die dortige Ver- waltung unmittelbar verantwortlich zu machen. Da dort die Steuerleistungen nicht wie in deutschen Schut= gebieten durch kurzfristige Arbeitsleistungen der er- wachsenen Männer (vierzehn Tage bis vier Wochen im Jahr) ausgeglichen werden können, außerdem beide Geschlechter etwa vom zehnten Jahre an Steuern zahlen müssen. sind die Leute oft gezwungen, aus dem Verkauf weiblichen Viehs ihre Steuerlasten aufzu- bringen. Nach denselben Grundsätzen wird natürlich auch in den besetzten deutschen Rolonien von den Fran- zosen gearbeitet. Als Beweis meiner obigen Behauplung möge ganz allaemein dienen, daß an den Küsten die Tierzucht