W 29 20 die Möglichkeit, ja sogar Wahrscheinlichkeit her, daß die ganze Institution über kurz oder lang von Frank- reich acquiriert, und daß dieses dann die Fassung aller ihm unbequemen Verträge mit Schärfe prüfen und auslegen werde. Für diesen Fall suche S. D. eine Garantie unserer Interessen in der jetzt zu stipu- lierenden Zusicherung, daß eine Abtretung des Ge- bietes der Gesellschaft, möge sie an Frankreich oder einen andern Staat erfolgen, nur unter der Bedingung geschehen könne, daß die Privilegien unserer Reichs- angehörigen erhalten blieben. S. D. bittet, dem Grafen Brandenburg in vor- stehendem Sinne schreiben zu wollen und ihn zu ersuchen, daß er eine weitere Initiative in der Sache nicht ergreift. “ Die auf diese Weise ins Stocken geratenen Ver- handlungen wurden vom König, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß ohne ein Eingehen auf die deutschen Wünsche eine Anerkennung des neuen Staates von dieser Seite nicht zu erzielen sei, durch einen Brief vom 8. August 1884 wieder ausgenommen, den er durch die Vermittlung des Bankiers G. v. Bleichröder an den Fürsten gelangen ließ). Der diesem Schreiben beigefügte Entwurf zu einem Abkommen entsprach nunmehr im allgemeinen den Erfordernissen, die Bismarck hinsichtlich der Eicherstellung der deutschen Interessen, besonders bei einem eventuellen Übergang der Besitzungen der Gesellschaft an eine andere Macht, von vornherein für unumgänglich geboten erachtet hatte. Die For- derung des Königs, die freie Zulassung der von der Association bzw. dem neuen Staat auszugebenden Anleihen und Lospapiere im Deutschen Reich ver- tragsmäßig gewährleistet zu sehen, wurde auf die von dem Reichsamt des Innern und dem Reichs- Justizamt abgegebenen Gutachten hin abgelehnt. Dagegen wurden die von diesen Dienststellen er- hobenen Bedenken gegen die Anerkennung der Sou- veränität des neuen Staatcs über ein seinen Grenzen nach genau bezeichnetes Gebiet auszusprechen, weil es fraglich sei, ob die Gesellschaft für alle Teile desselben zuverlässig begründete Rechtstitel besitze und ob das Deutsche Reich, ohne sich in bezug auf die Möglichkeit eigenen Landerwerbes in jenen Gegenden elwas zu vergeben, in der Lage sei, in der von der Gesellschaft gewünschten Weise sich zu binden, nicht berücksichtigt. Viclmehr fügte der Fürst in den noch mehrfach ab- geänderten Entwürfen zu dem Abkommen schließlich selbst noch den Artikel 6 ein**), weil „unsere Gegen- *) Vgl. Artikel IV. ddirier Veröffentlichung. „Aus *#n ecchiven usw.“ Bd. 1l, S. **) Artikel 6 bente7 Das hie Reich, if bereit, daesenige Grenze des Gebieies der A. J.C. u des zu errichtenden Staates, welche auf der Karte verzeichnet ist, seinerseits anzuerkennen. it der von Bismarck vollzostenen Einfügun dieses Artikels setzte er sich eigentlich selbst in Wierlsstuuchb mit seinen Ausführungen in seinem Schreiben an König leistung sonst den Schein des Unbedeutenden tragen und jedenfalls Frankreich gegen eine weite Ausdehnung des neuen Staates Bedenken nicht haben würde.“ Sicher ein Beweis dafür, wie wenig Bismarck Ende September 1884 an den Erwerb einer deutschen Kolonie in Ostafrika dachte. So kam denn am 8. Nevember 1884 der vom König so eifrig angestrebte Vertrag der Association mit dem Deutschen Reich zustande. Aus den vorstehenden aktenmäßigen Darlegungen dürfte zur Evidenz hervorgehen, daß Bismarck, als er die zuerst von verschiedenen privaten Seiten an- geregte und dann auch von Portugal vorgeschlagene Idee, die Kongofrage durch eine internationale Konferenz zu lösen, zu der seinigen machte und vorher schon die Association anerkannte, ausschließlich durch die erheblichen Bedenken, die der deutsche Handels- stand gegen den Kongovertrag vom 26. Februar 1884 geltend gemacht hatte, und durch den Wunsch, dem Kongoproblem eine den Frieden Europas nicht ge- fährdende Lösung zu geben, geleitet worden ist. Alle Hypothesen und Vermutungen über die eigentlichen geheimen Gründe, die Bismarck bewogen haben könnten, die afrikanischen Ziele Leopolds II. zu fördern — hat man doch sogar die Vermuiung ausgesprochen, daß der dritte, noch der Veröffent- lichung harrende Band seiner „Gedanken und Er- innerungen“ darüber Aufschlüsse bringen könne —, werden damit hinfällig. Weder hat er sich, wie belgische Schriftsteller mit Vorliebe behauptet haben, durch eine geschickte Beeinflussung der deutschen Presse seitens des Königs der Belgier gleichsam überlisten und zum Handeln nötigen lassen, noch hat er, wie in Frankreich von seiten der Chauvinisten noch bis in die neueste Zeit häufig behauptet worden ist, Frankreich eine Falle stellen und es zu möglichst weitgehenden Gebiets- erwerbungen über See anreizen wollen, um seine Stellung in Europa zu schwächen. Hätte er wirklich eine so machiavellistische Politik verfolgl, so hätte er im Jahre 1884 unter eventueller Aufopferung der deutschen Handelsinteressen am Kongo nur eine Einmischung in die Kongofrage abzulehnen brauchen.“) Leopold vom 4. September 1884. Dort hatte er das Bedenkliche einer solchen genauen Grenzfestlegung in zum größten Teil noch unbekannten Gebieten hervor- Bbbben= 4 El. Artikel IV in „Aus den Archiven usw.“ 9.) 1, *) Taisächlich, sind ja auch diese deutschen Interessen an dem Fortbestand der Handelsfreiheit und an dem Nichtvorhandensein von Einfuhrzöllen am Kongo bei Gelegenheit der Brüsseler Antisklaverei-Konferenz. wenige Jahre später, 1890, dem Kongostaat zu Liebe geopfert worden. Die ihm damals zugestandene Er- hebung von Wertzöllen bis 10% und die noch viel erheblicheren Zölle auf Spirituosen ließen aber die deutschen Handelskammern, soweit bekannt, völlig un- berührt. Dieser Umstand könnte allerdings gewisse Rück- schüse auf den Ursprung der Bewegungvon 1884gestatten.