35 2. Vermischtes. Geschichte der „Lehranstalt für internierte Kolonlal- Deutsche“ in Davos. Die Zahl der in der Schweiz internierten Kolonial= Deutschen hatte Mitte des Jahres 1917 eine beträcht- liche Höhe erreicht. Zur Bearbeitung ihren Ungelene)n heiten war bei der Deutschen Gesandtschaft in Bern, Abteilung für Gefangenenfragen, ein besonderes Referat eingerichtet worden. Ein großer Teil der Kolonial= Deutschen war wegen Malaria hospitalisiert. Die Art dieser Erkrankung brachte es mit sich, daß die meisten der Betroffenen in ihrer fieberfreien Zeit arbeitsfähig waren; ein Umstand, der sich in dem regen Wunsche nach geistiger Weiterbildung auf kolonialem Gebiete äußerle. Um diesem Wunsche zu genügen, hatte das Reichs = Kolonialamt der Gesondtschaft bereits eine große Sammlung kolonialer Werke zur Verteilung horowiesen. Das geistige Bedürfnis ging aber weiter, wie immer neue, bei der Gesandtschaft einlaufende Bitten um Uberlassung von wissenschaftlichen Werken und um Zulassung zu Universität und Schulen be- wiesen. Eine Weiterbildung besonders auf kolonialem Gebiete konnten aber die Schweizer Lehranstalten naturgemäß nicht gewähren. Es wurde daher Mitte September der Vorschlag gemacht, in Davos, das wegen seiner Höhenlage für den Aufenthalt von alaria-Kranken besonders geeignet erschien, eine koloniale Lehranstalt zu errichten. Diese Lehranstalt soll den aus den verschiedenen Schutzgebieten stam- menden Kolonial-Deutschen Gelegenheit zum Austausch ihrer praktischen Erfahrungen und zur theoretischen Weiterbildung geben und zugleich der deutschen Kolonial- verwaltung kolonial durchgebildete und gesundheitlich gut erfrischte Männer für die koloniale Tätigkeit nach dem Kriege zur Verfügung stellen. Mit Unterstützung des Reichs-Kolonialamts und Genehmigung der Schweizer Behörden erhielt der Plan dann seste Gestalt. Die Schweizer Internierungs- behörden, insbesondere Oberst Nienhaus und Haupt- mann Seiler, haben zur Durchführung des Planes wesentlich beigetragen. Als Unterkunft wurde das hänttig gelegene Sanatorium „Scehof“" in Davos- Dorf zur Verfügung gestellt, in dem die meisten Teil- nehmer zugleich Wohnung erhalten haben. Das Sana- torium verfügt über etwa 120 Betten und große Gesellschaftszimmer, die als Vortrags- und Unterrichts- räume verwendet werden. Am 4. November wurde die Anstalt mit 84 Teilnehmern in Gegenwart von Vertretern des Reichs= Kolonialamts, der Deutschen Gesandischaft in Bern, der Schweizer Internierungs= behörden und der deutschen Kolonie Davos erössnet. Die Vormittage werden durch Vorträge über koloniale Gegenstände von allgemeiner Bedeutung ausgefüllt, an denen alle Hörer teilnehmen, während an den Nachmittagen Sondernnterricht und sportliche llbungen stattfinden. Entsprechend der Eigenart der Anstalt be- steht eine strrenge Scheidung zwischen Vortragenden und Hörern nicht. Der Vortragende des einen Faches ist zugleich Hörer des anderen. Zur Zeit werden folgende, regelmäßigen Vor- träge mit je 1 bis 2 Wochenstunden gehalten: Deutsche Weltpolitik (Leutnant Laverrenz. Regie- rungs= und Baurat aus Togo). Kolonialgeschichte (Oberleutnant Sitzler aus Kamerun), Erdkunde Afrikas (Migefeldwebel Dr. phil. et jur. Kreukel, Privatdozent an der Universität Leipzig, zuletzt in Deutsch-Ostafrika), Kolonialverfassung und Ver- waltung (Leutnant Stange, kommiss. Bezirksamtmann aus Togo), Kolonialrecht (Leutnant Schmidt, Rechts- auwalt aus Kamerun), Koloniales Bank- und Finanzwesen (Offizierstellvertreter Tappert, Bank- beamter), Koloniale Landwirtschaft (Leutnant Luckhardt, Pflanzungsbesitzer aus Kamernn, Vize- feldwebel Lehmann, Pflangungsbesitzer aus Deutsch- Ostafrika, Sanitätssoldat Hammerstein. Pflanzungs- besitzer aus Deutsch-Ostafrika, Koloniale Viehzucht (Beterinär Püttmann, Regierungstierarzt aus Kamerun), Koloniales Forstwesen (eutnant Schuppius, Forst- assessor aus Togo), Koloniales Verkehrswesen (Leutnaut Laverrenz), Kolonialhandel (Leutnant Gloede, Generalvertreter der Woermann-Linie in Lagos), Vermessungswesen (lUnteroffizier Stock- hardt, Regierungslandmesser aus Kamerunf, Geologie (Vizefeldwebel Dr. Krenkel), Missionsgeschichte (Hofmann, Pfarrer), Tropenhygiene (ür. mel. Kerld). Gelegentliche kürzere Vortragsreihen aus den Teilnehmerkreisen wurden, wie folgt, gelesen: „Er- fahrungen in englischen K Kolonien“ (Unteroffizier Brodersen. früher in Britisch-Indien, Rhodesien und Britisch-O stafrika, zuletzt in Deutsch- Ostafrila, „Re- ligiöse Vorstellungen der Eingeborenen" (W#gefreiwiliger Sommer, Missionar aus Togo), „Nutgen und Schaden der ostafrikanischen Tier- welt“ (Sanitätssoldat Hammerstein, Pflanzungs- besitzer aus Deutsch-Ostafrika). Durch diese gelegent- lichen Vorträge soll jedem Gelegenheit gegeben werden, seine auf einem Sondergebiete gesammelten Erfahrungen der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Die Ein- richtung hat lebhaften Anklang gefunden und wird weitergeführt werden. Von vorübergehend Anwesenden wurden folgende Vortragsreihen gehalten: „Welt- verkehr und Weltwirtschaft" (Oberieutnant Dr. Roscher, Postinspektor aus Togo), „Vulkane in Italien, Südsee. Japan und anderen Ländern“ (Immannel Friedlaender, Gründer und Leiter des vulkanologischen Instituts in Neapel), „Die Ein- geborenenfrage nach den Erfahrungen der evangelischen Mission“, „Die deutsche Mission unter den Wirkungen des Weltkrieges“ (Mis- sionsdirektor l0. Dr. Axenfeld). Außer diesen für die Allgemeinheit bestimmten Vorträgen findet Sondernnterricht auf Grund be- sonderer Meldungen statt in Englisch (Unteroffizier Brodersen, Kaufmann), Frankzösisch (Untcroffigier Berger, Telegraphenassistent), Kisuaheli (Soldat Waltermann, Missionsangestellter aus Deutsch-Ost- afrika), Türkisch (Dr. Misrachi, Rechtsanwalt aus Konstantinopel), Buchführung (Westermann, Lui- mann), Kurgschrift (Soldat Hanen, Lehrer), Ver- messungsübungen im Gelände (1Unteroffizier Stockhardt. Regierungslandmesser, Gefreiter Rosen- thal, Landmesser). Fleischbeschau (Veterinär Pütt- mann. Rehierungstierarz, Erste Hilfe bei Un- glücksfällen (Dr. med. Möri, Anstaltsarzt!, Aus- bildung im Gouvernemeniadbien (Hauptmann Geisser aus Kamerun, Lentnant Stange, kommissarischer Bezirksamtmann aus Togo, Leutnant Schmidt, Rechts- anwalt aus Kamerun, Leutnant Binder, Gouverne- mentssekretär aus Neuguinea, Unteroffizier Paulick, Gonvernementssekretär aus Togo). Dieser onder= unterricht ist durchweg gut besucht, so daß ein weiterer Ausbau beabsichtigt ist. Einige Angehörige der Lehr- anstalt machen gleichzelitig von den unter Leitung von Direktor Dr. Bach in Davos bestehenden Unterrichts- möglichkeiten Gebrauch.