W 78 20 der aufgeführten Missionen beiderlei Konfession hat in der Tat besondere Erwähnung verdient. Sie wollen aber aus dieser Aufzählung ersehen, welch machtvollen Aufschwung das gesamte deutsche Missionsleben seit dem Erwerbe unserer Kolonien erfahren hat. Diese erfreuliche Tatsache ist eine unmittelbare Folge der engen Wechselbeziehungen zwischen der Tätigkeit des Kolonisators und der- jenigen des Missionars. Die erste Ausbreitung des Christentums folgte vielfach den Wegen erst der jüdischen und später der römischen Kolonialbewegung, und auch im Mittelalter war Mission und Kolonisation aufs engste miteinander verknüpft. Am deutlichsten aber prägte sich der enge Zusammenhang zwischen beiden aus im Zeitalter der großen Entdeckungen, im 16. und 17. Jahrhundert. Hand in Hand mit der Entdeckung Amerikas und der Seewege nach Ostindien und um das Kap der Guten Hoffnung ging die Verbreitung des Christentums in den neuerschlossenen Gebieten. Dominikaner= und Franziskaner-Mönche begleiteten die kühnen Seefahrer auf ihren Entdeckungsreisen, und pflanzten alsbald, von der staatlichen Autorität im weitestgehenden Maße unterstützt, das Banner des Christentums in den eroberten Heidenländern auf. Und wenn wir uns, was unsere engere Heimat anbelangt, dem Zeitalter der Kolonialära — Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts — zuwenden, so zeigt die Entwicklung, die das deutsche Missionswesen seitdem genommen hat, mit aller Deutlichkeit, wie sehr, trotz grundsätzlicher Unterschiede in den Auf- gaben und Zielen, Mission und Kolonisation eng zusammenhängen und aufeinander angewiesen sind. Wohl ist der Missionar, wie wir gesehen haben, oft vor dem Beamten und Offizier der Kolonialregierung in den abgelegenen und schwer zugänglichen Ländern der Eingeborenen gewesen und hat damit bewiesen, daß er seine unerschrockene und hingebungsvolle Bekehrungsarbeit auch da zu leisten vermag, wo die schützende und helfende Hand der staatlichen Autorität fehlt; allein kein im Missionsdienst erfahrener Sendbote Gottes wird sich der Erkenntnis verschließen, welche Wohltat und welche Förderung für das Missions- werk eine geordnete Kolonialregierung bedeutet. Sie sorgt für Ruhe und Sicherheit, für Ver waltung und Rechtspflege, erleichtert den Missionen durch Schaffung von Verkehrswegen und Verkehrs- mitteln, als da sind Straßen, Eisenbahnen, Post- und Schiffahrtsverbindungen, ferner durch wirt- schaftliche und sanitäre Maßnahmen in erheblichem Maße ihre Arbeit, ist bemüht, die Missionen moralisch zu unterstützen und durch Zollerleichte- rungen und andere Privilegien ihre finanziellen Lasten erträglicher zu machen. Demgegenüber bietet die Arbeit der Missionen, ihr unermüdliches Wirken im Dienste der Heiden- bekehrung, ihre methodische Beschäftigung mit allen Angelegenheiten der Eingeborenen und das Studium ihrer Lebensnotwendigkeiten eine solche Fülle unmittelbarer praktischer Kolonisationsarbeit, daß keine einsichtige Regierung auf die wertvolle Mithilfe der Missionen würde verzichten wollen. Die Eingeborenen sind ja, wie mein verehrter Herr Amtsvorgänger Exzellenz Dernburg mit Recht betont hat, das wertvollste Kapital in unseren Kolonien. Wer aber einmal die Ein- geborenen einer unerschlossenen, von Weißen noch nicht betretenen Kolonie, in ihrem von unserer Kultur unberührten Zustande gesehen hat, der weiß die unsäglichen Schwierigkeiten zu ermessen, die dem Missionar sowie dem Verwaltungsbeamten bei der Aufgabe erwächst, dieses Kapital zu heben und für die Menschheit zinspflichtig zu gestalten. Es ist ein ernstes und schweres Problem, ein heiliges Menschheitsproblem! Es ist einer der größten und schönsten Gedanken, den Völkern, die in der Dunkelheit barbarischer Anschauungen vegetieren, das Licht des Glaubens zu bringen und sie für die Segnungen unserer höheren Kultur vorzubereiten. Unendliche Schwierigkeiten er- warten den Pionier, der sich dieser Aufgabe widmet und sich in den Dienst dieses erhabenen Zieles stellt. Wie sieht der Acker aus, den er bestellen soll? Welche Felsblöcke müssen weg- gerollt und wie muß im Schneiße des Angesichts gerodet werden, ehe der Samen der christlichen Lehre ausgestreut werden kann! Finsterer Aber- hlaube, Stammesfehden und Blutrache, ränkevolle Zauberer und Medizinmänner, grausame Unsitten bei der Geburt der Kinder, der Mangel jeglicher Hygiene, Unterernährung wechselnd mit Völlerei,