6 300 umkehren, um die Gastfreundschaft Serenos nicht zu verletzen. Als man im Fort angelangt und abgesessen war, fragte Sereno sogleich nach dem von Kapitän Moor hinterlassenen Schriftstücke. Sereno las es und gab es dann Jensen mit dem Bemerken: „Da, lesen Sie selbst!“ Jensen konnte die undeutliche Schrift nicht entziffern und gab daher das Schriftstück Sereno zurück mit der Bitte, es vorzulesen. Dieser las: „Befehl des Kapitäns Moort?), den Gou- verneur (Governador) von Damaraland und seine Begleitung gefangenzuneh- men. Es ist diesen jedoch gestattet, mit portugiesischer Bedeckung sich nach dem Fort Kuamati“") zu begeben.“ Jensen über- setzte dies dem Dr. Schultze-Jena und dieser erwiderte: „Sagen Sie dem Leutnant, daß ich im Vertrauen auf seine Offiziersehre seiner Einladung zum Besuche des Forts Folge geleistet habe, und daß ich mich nicht gefangen gebe, auch ebensowenig nach Kuamati reite. Ich bleibe keine Minute länger hier. Wenn der Leutnant auf mich aufpassen will, dann kann er das an meinem Lagerplatz tun an der Eriksonsdrift.“ Damit wendeten sich die Herren ihren Pferden zu, um abzureiten. Sereno aber gab seinen Soldaten, die die Gruppe bis dahin umstanden hatten, den Befehl: „An die Gewehre.“ Das trieb die Herren zur Eile an, und Oberleutnant Lösch kommandierte „aufgesessen“ und „Galopp Marsch“, selbst zum Fortausgang voranreitend. Dr. Schultze-Jena und Roeder waren am weitesten hinten, dann folgte dem Ausgange zu Jensen, der zwischen Oberleutnant Lösch und Leutnant Roeder ritt. Dr. Schultze-JZena und Leutnant Roeder waren noch nicht in Bewegung, als Sereno das Feuer-= kommando gab, selbst aber hinter einer Lehmhütte verschwand. Dr. Schultze-Jena griff mit der rechten Hand nach seinem Gewehr, bekam es aber nicht mehr aus dem Gewehr- schuh heraus, weil eine Kugel ihm von hinten das Herz durchbohrte und gleich- zeitig die linke Zügelhand in der Puls- schlaggegend durchschlug. Er fiel tot vom Pferde. Lentnant der Roeder erhielt einen Bauchschuß von hinten. Oberleutnant Lösch war vor Jensen reitend außerhalb des Stachel- *) Governador ist die portugiesische Begeichnung für Begirksamtmann, Primero Governador oder Go- vernador General ist Kuamati liegt etwa 15 km östlich Naulila und ist Hauptgrengfort gegen den Unkuanjamastamm. der eigentliche Gonverneur. Reserve drahtzaunes angelangt, als ihn das tödliche Geschoß erreichte. Er machte einen mächtigen Luftsprung vom Pferde aus und fiel zu Boden. Jeusen erhielt einen Streifschuß am Gesäß und versuchte zu entkommen. In der Erregung hatte er jedoch die Richtung verloren und geriet ins Uferschilf, wo ihn Kaffern, die seine Spur ver- folgten, aus dem Schlamm zogen. Man brachte ihn ins Fort zurück. Dort lagen Dr. Schultze= Jena und Roeder mitten im Hofe, so wie sie gefallen waren. Oberleutnant Lösch war eben- falls tot, er hatte einen Schuß durch die linke Beckengegend, der Ausschuß befand sich am linken Oberschenkel. Wahrscheinlich war die Hauptschlagader von der Kugel durchschlagen worden, denn der Blutverlust war außer- ordentlich groß, das linke Hosenbein war ganz voll von dickem geronnenem Blute. Von der Stelle, wo er gefallen war, hatte er sich noch bis in den Schatten eines Kaffernpontoks ge- schleppt, dann muß ihn das Bewußtsein ver- lassen haben. Roeder lebte noch. Drei unserer Eingeborenen, die ebenfalls schwer verwundet wurden, warf man noch lebend in den Kunene den gierigen Krokodilen zum Fraß. Ein vierter Ein- geborener, Dr. Schultze-Jenas Bambuse Andreas, entkam durch die Flucht. An der Eriksonsdrift war inzwischen der Chef von Humbe in Begleitung des Dr. Vageler, Mitglieds der damals in Angola weilenden deutschen Studien- kommission, eingetroffen. Außerdem be- gleiteten ihn der lange Jahre in Angola an- sässige Holländer van der Kellen und zwei Portugiesen. Dr. Vageler hatte bereits kurz nach Ausbruch des Krieges versucht, sich nach Deutsch-Südwest zu begeben, wurde aber auf- gehalten und mußte nach Humbe zurückkehren. Mit dem Chef von Humbe war er bereits vorher bekannt, und als er nun hörte, daß der Bezirksamtmann von Outjio, Dr. Schutze-Jena, den Chef von Humbe zu sprechen wünschte, ersuchte und erhielt er die Erlaubnis, den Chef von Humbe nach Eriksonsdrift zu begleiten. Als sie nun die Herren daselbst nicht antrafen, beauftragte man den Ge- freiten Kimmel, nach Naulila zu reiten und die Herren davon in Kenntnis zu setzen, daß der Chef von Humbe do sei. Dr. Vageler sagte noch zum Gefreiten Kimmel: „Um Himmelswillen reiten Sie schnell, mir ahnt nichts Gutes.“ Der Chef von Humbe versicherte, daß Kimptel ganz ruhig reiten könne, ihm passiere nichts, er könne auch getrost sein Gewehr mitnehmen. Daun