G 301 2O händigte er Kimmel noch einen Brief an Leut- nant Sereno ein, und Kimmel ritt ab. Ahnungs- los kommt er in Naulila an, anfangs wollte man auf ihn schießen, aber Jensen beruhigte die Portugiesen durch Zurufe: „Schießt doch nicht, der Mann tut euch doch nichts.“ Darauf wurde Kimmel umstellt und gefangen- genommen. Als man ihn ins Fort führte, lagen Dr. Schultze-Jena und Leutnant Roeder noch immer im Forthofe in der heißen Sonne. Er brachte zunächst Leutnant Roeder in eine schattige Hütte, untersuchte seine Wunde, wusch sie aus und verband sie mit Hilfe seines eigenen kleinen Verbandpäckchens. Roeders Verwundung war nicht so gefährlich, als daß man ihn nicht hätte retten können, wenn ein Arzt dagewesen wäre. Der Ein= und Ausschuß des 7-mm3Geschosses war ganz klein, doch sickerte beständig Blut heraus. Verbandstoffe waren nicht zu haben, Leutnant Roeder verlangte nach einem Linde- rungs= oder Betäubungsmittel. Man wollte Verbandzeng von unserer Karre herbeischaffen und Sereno gab zu, daß Kimmel einen Brief an den Chef von Humbe nach Eriksonsdrift schrieb. Der Brief wurde durch einen Ein- geborenen befördert und lautete: „An den Chef von Humbe. Kommen Sie sofort nach hier und bringen Sie Verbandzeug mit. Ich bin gefangen und ersuche Sie, meine Freilassung anzuordnen.“ In diesen Brief steckte er einen zweiten an den Polizeiwachtmeister Schaaps folgenden Inhalts: „Befehl des Leutnants Sereno, Ihr sollt alle kommen, Dr. Schultze- Jena und Oberleutnant Lösch meuchlings er- schossen, Lentnant Roeder schwer verwundet.“ Als Dr. Vageler dies erfuhr, sagte er zum Chef von Humbe, daß er jetzt nach Südwest gehe. Obwohl es in seiner Macht liege, ihn als Gefangenen mitzunehmen, verzichte er darauf, weil er (der Chef von Humbe) im guten Glauben, einer friedlichen Angelegenheit zu dienen, dem Wunsche Dr. Schultze-Jenas gefolgt sei. Aber er mache den Chef von Humbe für Kimmels Leben persönlich ver- antwortlich. „Bald werden Sie mich wieder- sehen, aber mit deutschen Truppen.“ Dr. Vage- ler nahm den Rest der Patronille unter sein Kommando und zog sich in Eilmärschen auf Outjo zurück, das Gonvernement telegraphisch von dem Vorfall in Kenntnis setzend.“ Aus weiteren Nachrichten geht hervor, daß der schwer verwundete Leutnant Roeder und die Leichen der beiden anderen Deutschen von der zügellosen Soldateska auch noch beraubt wurden. Geld und Wertsachen wurden gestohlen. Die Stiefel und Gamaschen der Ermordeten zogen sich die zerlumpten portugiesischen Soldaten an. Von den Leichen rissen sie die Woilachs hinweg. In der Nacht wurde Leutnant Roeder von seinen Schmerzen erlöst. An dem Begräbnis haben Jensen und Kimmel nicht teilnehmen dürfen. Die hier anschaulich und wahrheitsgetreu ge- schilderten Vorgänge werden in dem Bericht des portugiesischen Obersten Alvas Rocadas, der im „Secolo" vom 18. Dezember 1917 veröffent- licht wurde, heuchlerisch verdreht und umschrieben durch den Satz: „Am 18. Oktober 1914 fiel der Verwalter von Outjo, einem Grenzdistrikt Damaralands, mit bewaffneten Offizieren und Soldaten in das Ge- biet von Hinga ein und verursachte einen Zwischen- fall mit dem Kav. Fähnrich Sereno, der von dem Kommandanten von Cuamata beauftragt war, die Gründe des Aufenthalts deutscher Truppen auf unserem Gebiet zu prüfen.“ Der Gedanke an einen Einfall in portugiesisches Gebiet ist nur die Ausgeburt einer wilden süd- ländischen Phantasie. Ein klarer Kopf mußte sich sagen, daß erstens die Regierung des deutschen Schutzgebietes durchaus keine Veranlassung hatte, sich in ihrer schwierigen Lage einen neuen Gegner unnötig aufzuhalsen, und daß man zweitens nicht zu Eroberungszwecken mit einer winzigen Pa- trouille in ein fremdes Land einfällt. Bezirksamtmann Dr. Schultze-Jena lagerte seiner Karte nach auf deutschem Gebiet und hat das dem portugiesischen Offizier mitgeteilt und auf der Karte gezeigt. Die gegenteilige Behauptung des portugiesischen Offiziers ist nicht stichhaltig, um so weniger, als er wohl kaum in der Lage war, sie durch Vor- legung einer genaueren portugiesischen Karte zu beweisen. Die Portugiesen mußten ebensogut wie wir wissen, daß eine genaue Grenzvermessung in jener Gegend überhaupt noch nicht stattgefunden hat, und daß daher Meinungsverschiedenheiten über den Verlauf der Grenze sehr wohl möglich sein konnten. Dr. Schultze-Jena hatte außer- dem durch die Absendung des Briefes nach dem Fort Donguena seine friedliche Absicht offenkundig gezeigt. Daß die von ihm nach Dongnena ent- sandten Herren bewaffnet waren, ist in jener von nur halbunterworfenen Stämmen bewohnten Gegend selbstverständlich. An anderer Stelle seines Berichtes gibt dann auch Rocadas zu, folgendes Telegramm vom Bezirkschef von Humbe erhalten zu haben: „Abgesandte der Deutschen unter dem Gon- verneur von Damara lagern am Kunene nahe bei dem Posten Dongnena, um mit den Portu-