[SG LS 182 Sechster Abschnitt: Das Reichsland und die Schutzgebiete. Ss: Sechster Abschnitt. Das Reichsland und die Schutzgebiete. 22. Bundesglied und Reichsland !). I. Die Verfassung des Deutschen Reichs kennt keine Bestandteile des Reichs, welche der Zentralgewalt un- mittelbar unterworfen sind, sondern sie setzt durchweg voraus, dass zwischen den einzelnen Territorien und ihren Bevölkerungen und der Reichsgewalt eine Staatsgewalt steht, und dass die Einzelstaaten, in welche Gebiet und Bevölkerung des Reiches gegliedert sind, als Mitglieder des Reiches, als Rechts- subjekte, Anteil an dem Reiche haben. Nach dem Art. 1 der RV. besteht das Bundesgebiet aus den in diesem Artikel genannten Staaten?) Die Ein- führung der Reichsverf. in Elsass-Lothringen nicht bloss dem Buchstaben, sondern dem Wesen nach, war daher nicht denkbar und nicht möglich, wenn nicht auch hier eine von der Reichsgewalt verschiedene Staatsgewalt aufge- richtet wurde, d. h. wenn nicht entweder das Gebiet einem oder mehreren deutschen Staaten zugeteilt oder ein besonderer Staat aus demselben gemacht wurde. Beides ist aus zwingenden Gründen der Politik nicht geschehen; die von Frankreich abgetretenen Gebiete wurden vielmehr als Reichsland mit dem Deutschen Reiche vereinigt. Das Reich hat seine Hoheitsrechte uneingeschränkt und ungeschmäleit behalten. Bei der Vereinigung von Elsass-Lothringen mit dem Reiche waren Regierung und Reichstag darüber völlig einverstanden, dass das Reichsland den rechtlichen Charakter eines Staates nicht erhalten sollte ®). Dessenungeachtet ist die Verfassung des Deutschen Reichs mit wenigen, durch die tatsächliche Erweiterung des — u —— 1) Leoni, Das öffentl. Recht des Reichslandes Elsass-Lothringen. I. Teil Ver- fassungsrecht. Freib. 1892. II. Teil. Das Verwaltungsrecht von Leoniu. Mandel. 1895. Rosenberg, Die staatsr. Stellung von Els.-Lothr. Metz 1896 und in Hirths Annalen 1903 S. 481 ff. Jellinek, Ueber Staatsfragiınente. Heidelb. 1396 S. 31 £f. Seydel,Komnnent. S.128fg. G.Meyer, Staatsr. $71u.$138 fg. Hamburger, Die staatsrechtl. Besonderheiten der Stellung des Reichslandes. Bresi. 1901.E.Bruck, Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht von Els.-Lothr. 3 Bde. Strassb. 1908/09. 2) Sehr zahlreiche Artikel der Reichsverf. und der auf Grund derselben ergangenen Reichsgesetze sprechen von Rechten und Pflichten der Bundesstaaten, der Mitglieder des Bundes, der Bundesregierungen usw. Alle diese Anordnungen beruhen auf der völlig selbstverständlichen Voraussetzung, dass das Reich lediglich aus Staaten besteht. 3) Die Verhandlungen lassen darüber keinen Zweifel. Vgl. Motive zum Ver- einigungsges. v. 9. Juni 1871 sub I; Kommissionsber. des Reichstags S. 3; 16. Staatsminister Delbrück in der Reichstagssitzung v. 20. Mai 1871 (Stenogr. Ber. 8.324). Fürst Bismarck Drucksachen des Reichst. v. 1871 Nr. 169 8. 6 u. a.