Vorbemerkung zur elften Auflage. Im Februar 1915 habe ich das Vorwort zur zehnten Auflage dieses Buches geschrieben. Damals und all die langen Monate seither habe ich mich mit der Hoffnung getragen, daß bei Beginn der Arbeiten an einer neuen Auflage der Frieden wiederhergestellt sein würde zwischen den Völkern, daß mein System von der Erschütterung des Völker- rechts durch den Krieg als von einer Tatsache der Vergangenheit sprechen, und daß ich bereits die neuen Schöpfungen der Friedens- verträge zur Grundlage meiner Darstellung machen könnte. Es ist ganz anders gekommen, als ich damals meinte. Noch ist kein Ende des Völkerkampfes abzusehen, und der allgemeine Friede steht in un- greifbarer Ferne. Zum zweiten Mal tritt mein Völkerrecht in einer Kriegsauflage vor die Öffentlichkeit. Durch diese Sachlage war meiner Darstellung der Weg vorgezeich- net. Die drei ersten Bücher des Systems konnten im wesentlichen ihre bisherige Gestalt beibehalten; und sie mußten es. Sie konnten es: denn das Friedensrecht der Völker (III.Buch) wird nach dem Krieg zweifel- los wieder in Kraft treten, und die wissenschaftlichen Grundlagen des Völkerrechts (I. und II. Buch) haben in den Stürmen des Krieges sich behauptet. Und sie mußten es: denn noch läßt sich heute nicht übersehen, wie die Beziehungen der Staaten zueinander nach dem Krieg sich gestalten werden. Nur im einzelnen ist manches geändert, da und dort auch gekürzt worden. Dagegen war im vierten Buch eine gründliche Umarbeitung notwendig und eine beträchtliche Erweiterung nicht zu vermeiden. Wo es anging, habe ich 'an die bisherige Dar- stellung angeknüpft. Aber der Gedanke, daß der Krieg durch die Aus- bildung einer lebenskräftigen zwischenstaatlichen Rechtsordnung ver- meidbar gemacht werden kann und daß die folgerichtige Entwicklung der heute bereits vorhandenen Ansätze zu einer friedlichen Austragung der Staatenstreitigkeiten die nächste und wichtigste Aufgabe der im Friedensschlusse wieder aufgerichteten Staatengemeinschaft ist, mußte stärker als bisher betont werden ($ 39). Ferner beanspruchten die durch den Gang der Ereignisse aufgerollten zahlreichen und schwierigen Probleme des Kriegsrechts eingehende Erörterung, die nur schwer dem Rahmen der bisher dem Gegenstand gewidmeten Abschnitte (88 39, 40, 41) einzufügen war. Dasselbe gilt von der Rechtsstellung der Neu- tralen ($ 42), die der Aushungerungskrieg in engste Mitleidenschaft ge-