IV Vorbemerkung zur elften Auflage. zogen hat. In allen diesen Fragen bin ich der Darstellung und der Be- urteilung der Übergriffe, die den Kriegführenden im Weltkrieg zur Last fallen, nirgends aus dem Wege gegangen. Aber es war mein ernstestes Bemühen, in Inhalt und Form die wissenschaftliche Objektivität nach meinen besten Kräften zu wahren. Ich bin mir wohl bewußt, daß mir das nicht überall gelungen ist; wir stehen dem Selbsterlebten noch zu nahe, um es mit ungetrübtem Blick und ruhigen Gemütes erfassen zu können. Und ich weiß auch, daB gerade aus diesem Grunde mein Bemühen an sich da und dort Anstoß erregen wird. Ich werde solche Vorwürfe ruhig hinnehmen. Die gute Sache des deutschen Volkes be- darf keiner advokatorischen Streitschrift, die die Fehler des Gegners vermehrt und vergröbert, die eigenen aber verbirgt oder beschönigt. Und selbst wenn es anders wäre: ein Lehrbuch des Rechts dürfte nie- mals vergessen, daß es seiner Aufgabe untreu wird, wenn es in den Dienst einer Partei sich stellt. Mitten im Kriege ist es uns aber auch mit immer größerer Be- stimmtheit klar geworden, daß die Zukunft des von kurzsichtigen Eintagspolitikern vielverhöhnten Völkerrechts gesichert ist. Eine Zu- kunft, die alles übertreffen wird, was wir in den letzten Friedensjahren zu hoffen wagten. Die Gedanken, die jahrzehntelang als utopistische Träumereien unbelehrbarer Schwärmer verlacht zu werden pflegten, sind heute zum Programm der führenden Staatsmänner bei uns wie bei unseren Gegnern geworden: Ein Friedensbund der Völker soll er- stehen, der durch Ausbau der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit die Beschränkung der Rüstungen ermöglicht und damit die verhängnis- vollste Gefährdung des Friedens aus dem Wege räumt. So zieht sich denn der Hinweis auf eine bessere Zukunft als Leitfaden durch meine ganze Darstellung. Der neueingefügte Schlußparagraph ($ 44) bemüht sich, die Ergebnisse, die der Weltkrieg auf dem Gebiete des Völker- rechts gezeitigt hat, noch einmal in einheitlicher Zusammenfassung aufzuzeigen. Und er klingt mit dem Glaubensbekenntnis aus, das ge- rade dem Weltkrieg die feste Grundlage unerschütterlicher Überzeugung verdankt: daß auch die Wissenschaft des Völkerrechts nicht nur den bestehenden Rechtszustand zu schildern und aus seiner geschichtlichen Entwicklung zu erklären hat; sondern daß sie berufen ist, die Bahn zu weisen, die in die Zukunft führt, und an der Lösung der großen Probleme richtunggebend mitzuarbeiten, die den kommenden Geschlech- tern vom Schicksal aufgegeben sind. Das Völkerrecht steht an dem bedeutsamsten Wendepunkt seiner Entwicklung: da darf die Wissen- schaft nicht selbstgenügsam zur Seite stehen; sie hat das Recht und die Pflicht, die Führung zu übernehmen. * *