IH. Buch. Die Interessengemeinschaft des völkerrecht- | lichen Staatenverbands. Vorbemerkung. Die Aufgabe dieses III. Buches ist der Nachweis, daß auf den verschie- denen Gebieten menschlicher Lebensbetätigung heute bereits die Erkenninis der vorhandenen Interessengemeinschaft zu einem engeren Zusammenschluß der beteiligten Staaten geführt hat, zur Bildung von besonderen Zweck- verbänden, die die Wahrung und Förderung gemeinsamer Interessen mi vereinten Krälten anstreben. Durch diese besonderen Zweckverbände ent- wickelt sich der Rechtsverband der Staaten zu einem Kulturverband. Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß es sich in dem folgenden Ab- schnitt fast ausschließlich um partikulares Völkerrecht handelt, das nur jene Staaten bindet und berechtigt, die dem einzelnen Zweckverband als Glieder angehören. Aber die werbende Kraft der meisten dieser Zweckverbände zwingt eine immer größere Zahl von Staaten zum Anschluß und verwandelt, wie wir das beim Welipostverein oder bei der Genfer Konvention erlebt haben, Schritt für Schritt den zuerst nur wenige Staaten umspannenden Verein in einen allgemeinen Verband, der sogar die Grenzen der eigent- lichen Völkerrechtsgemeinschaft überspringt. Es mag ferner zugegeben werden, daß die an sich unsichere Scheidung von rechtsetzenden und rechisgeschäftlichen Verträgen hier völlig zu ver- schwinden droht. Aber es ist nun einmal nicht anders: der Weg zur allgemein bindenden völkerrechtlichen Rechtsnorm jührt geschichtlich durch die rechtsgeschältlichen Einzelverträge der Staaten hindurch. Und wer mi starren juristischen Begriffen arbeiten wül, bleibt besser dem Völkerrecht überhaupt fern. Denn hier tritt uns die normative Krajt des Faktischen in ihrer ganzen schöpferischen Bedeutung entgegen (vgl. auch oben $ £I). Trotz aller methodischen Bedenken, deren ich mir wohl bewußt bin, lege ich daher dieses IIL. Buch denjenigen meiner Leser besonders ans Herz, die für das Werden und Wachsen des Rechts Sinn und Interesse haben.!) 1) Der Einteilungsgrund für die Darstellung dieses Buches ist mithin gegeben in der Eigenart der als gemeinsam erkannten und völkerrechtlich geregelten staat- lioben Interessen. Vgl. Geffken, Das Gesamtinteresse als Grundlage des Staats- und Völkerrechts, 1908. Ähnlich auch Gareis in seinen Institutionen des Völker- rechts.