184 III. Buch. Die Interessengemeinschaft des völkerrechtl. Staatenverbands. 1. Abschnitt. Die Interessengemeinschaft der Staaten auf dem Gebiete des Verkehrs. 8 26. Die Hochseeschiffahrt und die Freiheit des Meeres.') L Der völkerrechtliche Grundsatz der Meeresfreiheit schließt jede staatliche Herrschafl über die oifene See aus. Jeder ursprüngliche oder ahgeleltete Erwerb der Gebletshohelt über Tolle des offenen Meeres ist völkerrechtlich unmöglich. Das Meer Ist in diesem Sinne nicht res nullius, sondern res communlis omnium, Gebiet des Staatenverbandes. Jeder Staat bat das Recht, Handelsschiffe und Kriegsschiffe im Frieden wie grundsätzlich auch Im Krieg unter seiner Flagge und unter der ausschließlichen Herrschaft seiner Gesetze die hohe See befahren zu lassen und den unerschöpflichen Reichtum, den die Tiefen des Meeres bieten, durch seine Fischerei für sich zu verwerten. Im Kriege gehört auch das Meer unbeschadet der Rechte der Neutralen, zum Kriegsschauplatz (unten $ 411). Für die Zeit des Friedens ist der Grundsatz der Meeresfreiheit bereits von H. Groot in seiner Jugendschrift „mare liberum seu de jure quod Batavis competit ad Indicana commercia“ 1609 gegen die mit der Entwicklung der Hochseeschiffahrt und des Überseehandels ein- setzenden weitgehenden Ansprüche Portugals, Spaniens und Englands vertreten worden. Er gelangte, trotz Seldens ‚mare clausum‘ 1635 (geschrieben 1618) und Cromwells Navigationsakte von 1651, na- mentlich seit Bynkershoeks Schrift „de dominio maris" 1702 zur allgemeinen Anerkennung und wird in der heutigen Wissenschaft nur ganz vereinzelt in Frage gestellt?). Auch tatsächlich ist im Frieden, trotz der englischen Verherrschaft zur See, die Meeresfreiheit unange- tastet geblieben. Vereinzelte Beschränkungen und Belästigungen des Seehandels aber haben mit ihr rechtlich nichts zu tun. 1) Perels, Das internationale öffentliche Seerecht der Gegenwart. 2. Aufl. 1903. Loening, H. St. VII279. Lemoine, Precis de droit maritime internat. 1888. Stoerk, H. H. II 483. Nys, Les origines du droit internat. 1894. S. 377. Radnitzky, L. A. XXII 416. De Louter I 376, 399. Merignhac 11498. NysIl168. OppenheimI1315. Rivier166. Ullmann 324. — Loewen- thal, Das Untersuchungsrecht des internationalen Seerechts in Krieg und Frieden. 1905. Castel, Du principe de la libert6 des mers et de ses applications dans le droit commun internat. 1900. Preuß, Das Völkerrecht im Dienst des Wirtschafts- lebens 1901. — Aus der jüngsten Literatur sind bereits hier zunennen: Triepel, Die Freiheit der Meere und der künftige Friedensschluß. 1917. W. van Calker, Das Problem der Meeresfreiheit und die deutsche Völkerrechtspolitik. 1917. Stier-Somlo, Die Freiheit der Meere und das Völkerrecht. 1917. Vgl. unten $ 44. 2) Stier-Somlo bestreitet die Geltung des Grundsatzes. Aber die von ihm betonten Ausnahmen (unten im Text) bestätigen die Regel. Er vermißt ferner die rechtliche Rechtfertigung des Grundsatzes. Dieser bedarf es aber hier so wenig wie sonst, sobald die Geltung feststeht.