Fünftes Kapitel. gistoriter und Aystiter. Der geistige Boden, auf welchem die Litteraturblüte des deut- schen Mittelalters im zwölften und dreizehnten Jahrhundert empor- gewachsen, war die adelige Gesellschaft unter dem befruchtenden Sonnenglanze des Kaiserthums. Mit dem Fall der Staufer, mit dem Beginn jener sechs Jahrhunderte des Particularismus, aus dem erst unsere Gegenwart sich herausarbeitet, tritt eine neue geistige Macht in Deutschland auf. Ein edelgeborener Bürger, wie Gott- fried von Straßburg, hatte sich dem Kern der ritterlichen Lebens- anschauungen mit ganzer Seele hingegeben. Jetzt ist es vielfach das Bürgerthum, zu dessen Cultur und Geschmackerichtung der Adel heruntersteigt. Das Bürgerthum aber ist sehr deutsch, sehr erclusiv volksthümlich, es kümmert sich um fremde Bildung wenig, es hat nur das Christen- thum gänzlich eingeordnet dem nationalen Gedankenkreis und gibt sich den politischen wie religiösen Interessen hin, bis die wieder er- stehende Antike auf noch unbetretene Bahnen leitet und eine neue bürgerliche Figur in dem weltlichen Gelehrten zu Tage fördert, der mindestens mit eben so großer Inbrunst auf Heraz und Cicero schwört, wie auf den heiligen Bernhard oder Augustinus. Im vierzehnten Jahrhundert aber ist diese Gattung noch nicht vorhanden. Noch immer tritt der Gelehrte als Geistlicher auf. Und als solcher schreibt er zwar mit verdoppeltem Eifer tieffinnige theo-