Sechstes Kapitel. Das Straßburger Aünster. Wenn religiöse Schwärmerei den Geist tief ins Jenseits, in eine phantastisch überirdische Welt verlockt hatte, so führte ihn die Betrach- tung der vaterländischen Geschichte mit ihren Fehden und Kämpfen, Siegen und Ehren wieder auf die Gegenwart und den festen Boden der Wirklichkeit zurück. Tauler und Königshofen sind es zumeist, welche uns diese beiden Richtungen repräsentiren. Sie sind es vor Allen, welche Straßburger Bürgerherrlichkeit des vierzehnten Jahr- hunderts auf die Nachwelt gebracht haben. Aber ein dritter Name steht neben ihnen, größer als beide, ein kühnerer, ein gewaltigerer, ein weit mehr schöpferischer Geist, ein Mann, dem es beschieden war, mit dem was er gewollt, mit dem was er vollbracht, auf die Folge der Jahrhunderte eine selten ünterbrochene, mehrfach gesteigerte Wirkung auszuüben. Was Tauler war, dankte er theils Meister Eckard, theils dem Gottesfreund vom Oberland; was Königshofen leistete, dankte er theils seinen Vorgängern, theils dem Zeitgeschmack, dem er sich fügte: der Dritte, den wir meinen, verdankt sein Bestes eigener Kraft. Jene beiden sind keine Menschen, die sich über Mittelmaß erheben: dieser hat in seinem Fache das Höchste geleistet. Jene beiden sind nur deutsche Localberühmtheiten: dieser ist ein Weltname. Tauler und Königs- hofen sind nur Talente: Erwin von Steinbach ist ein Genie.