Sechszehutes Kapitel. Renaissance und Volksthum in der Litteratur. Die Männer, auf denen das geistige Leben des Elsasses in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts vorzugsweise beruhte, waren um 1590 todt. Johannes Sturm, Daniel Specklin, Sebald Havenreuter starben 1589, Fischart folgte ihnen im nächsten Jahre. Johannes Sturm und Fischart bezeichnen die beiden Gegensätze, in denen sich unsere Litteratur damals bewegte; und jeder ist in seiner Richtung die erste und höchste Kraft der Zeit. Johannes Sturm vertritt das antik-classische Element, die Renaissance, Fischart repräsentirt wesentlich das deutsch-volksthümliche Element in der Litte- ratur. Die Renaissance ist tief eingedrungen in das geistige Leben unseres Volkes, bald erhielt sie Verstärkung durch die Litteratur sämmtlicher romanischer Völker Europas, welche ihrerseits aus der Wiederbelebung des Alterthums zum guten Theil erwuchsen. Wie weit kann sich ihnen gegenüber das deutsche Volksthum erhalten? Das ist die Frage, um welche sich die deutsche Litteraturgeschichte der nächsten zwei Jahrhunderte dreht. Zunächst beobachten wir in Straßburg, wie zu Anfang des sieb- zehnten Jahrhunderts das Renaissance-Drama in lateinischer Sprache durch Kaspar Brülow seinen Höhepunct erreicht und wie gleichzeitig Wolfhart Spangenberg im Anschluß an die Straßburger Meister- singerschule ein veredeltes volksthümliches Drama und im Anschluß an Johann Fischart die humoristische Thierdichtung ausbildet.