92 53. Johann von Leyden. (12. Juni 1533.) Und vor Münster lag der Bischof, längst verrann des Jahres Frist: Steile Wälle, starke Mauern wehrten aller Kunst und List. Schrecklich ist sein Bundsgenosse, Hunger schleichet durch die Stadt, Und das Volk der Wiedertäufer wandelt bleich, hohläugig, matt. Nur in dessen Prunkgemächern, der sich Zion's König heißt, Herrschet schwelgerische Fülle, Wand und Herzen — Alles gleißt. An des Speisesaales Decke prangt in gold'ner Lettern Pracht Demuthsstolz des Königs Wahlspruch: „Meine Kraft ist Gottes Macht!“ Diener tragen goldne Schüsseln, ihre Kleidung grau und grün, Deutend: Tod des alten Menschen und des Neuen Auferblühn; Und ein weiß Barett giebt Kunde, daß das Volk der Unschuld hold, Daß die Nächstenlieb' unendlich, zeigt der Fingerreif von Gold. An der Tafel schwelgt der König, dessen Haupt die Kron'’ umzirkt, Angethan mit Scharlachsammet, reich von Spitzen golddurchwirkt. Hinter ihm zwei Knaben halten — der des alten Bundes Buch, Der das Schwert: daß Leib und Geister seine Macht in Fesseln schlug. Ihm zur Seite schöne Frauen aus der Königinnen Schaar, Frech der Blick, die Rede fündig, güldne Krönlein in dem Haar. Krechting, fein und bleich zu schauen, flüstert ihm verschmitzten Rath, Knipperdolling's düstres Antlitz kündet Mord und wilde That. Und der Orgel mächt'ige Klänge fluthen durch den fünd'gen Raum, Der Posaune mahnend Rufen störet nicht den wüsten Traum. Alle Triebe sind entfesselt, Lust in wilden Flammen loht, Ueberströmen die Pokale — draußen heult das Volk nach Brot. Langsam öffnet sich die Pforte, tritt ein schönes Weib herein, Und der Lärm des Mahls verstummet, schal im Becher wird der Wein, Ihr vom Haupt zum Fufße nieder fließet schlicht und weiß Gewand, Ringe bringt sie, Demantspangen, Perlenschnüre, goldnen Tand.