152 93. General oder Lumpenkerl. Derfflinger schämte sich keineswegs seiner niedern Herkunft; er wollte nur nicht, daß man sie ihm zum Vorwurf mache. Er selbst erzählte gern in heiteren Kreisen interessante Züge aus seinem früheren Leben. Als er noch gemeiner Dragoner war, konnte er einmal des Nachts nicht schlafen. Er warf sich deshalb unruhig auf dem Lager hin und her und störte dadurch auch den Schlaf seines Zeltkameraden. Dieser fragt ihn im heftigen Tone, was er für eine Unruhe auf dem Leibe habe. Derfflinger antwortet: „Ich sinne darüber nach, wie ich es anfange, General zu werden.“ „Ach wasl schlaf!“ erwiedert sein Kamerad, „ein Lumpenkerl machst Du wohl noch werden, aber ein General schwerlich!“ Derfflinger nahm diese Prophezeihung still- schweigend hin, vergaß sie aber nie. Viele Jahre nachher, als er schon Feldmarschall war, kam er durch ein Städtchen, wo der Name des Bürgermeisters ihm auffiel . Er läßt seinen Wagen vor dessen Woh- nung fahren. Das Oberhaupt der Stadt eilt zu seinem Empfange herbei, und Derfflinger erkennt auf den ersten Blick in demselben seinen ehemaligen Zeltkameraden. „Ei, kennen wir uns?“ fragte der Feld- marschall. „Ich glaube wohl!“ erwiederte der Bürgermeister mit eini- gem Zögern. „Nun, denkst du auch noch an deine Prophezeihung?“ Der Bürgermeister wollte sich der alten Geschichte nicht recht mehr er- innern. Derfflinger führte sie ihm in's Gedächtniß zurück. Da wurde jener ganz verwirrt und erwiederte, wenn er dergleichen Worte damals gefagt hätte, so möchte er ihm das doch jetzt nicht mehr nachtragen. „Nein, ganz und gar nicht,“ rief der Marschall, sprang aus dem Wagen, umarmte seinen ehemaligen Schlafkameraden brüderlich, klopfte ihm auf die Schulter und rief ihm zu: „Alter Junge, hast du etwas Ordentliches zu essen?“ „O, ja, Schinken, Würste und noch andere Delikatessen,“ war die Antwort. „Und ich habe guten Rheinwein im Wagen,“ fügte Derfflinger hinzu. So gingen denn die Beiden zu- sammen hinein, aßen und tranken vergnügt mit einander und erzählten sich ihre Erlebnisse seit jenen Tagen. Schade, daß wir nicht dabei waren!