— 94 — plötzlich sprang der Kärrner auf und erklärte, er könne nicht länger bleiben, er müsse noch in das benachbarte, 1 /2 Stunde von dem Städtchen gelegene, Wittendorf (das später durch den Krieg zur wüsten AMlart ward), um dorthin bestellte Waren zu schaffen. Zwar bat ihn seine Braut, nur diesen Abend zu bleiben, es sei ihr so ängstlich zu Mute, allein der Kärrner lachte sie aus und meinte, es sei ja Mondenschein, er habe den Weg schon so viele Male bei schlechterem Wetter und im Finstern gemacht, er werde ihn also auch heute nicht verfehlen. Kurz, er ließ sich nicht halten, sein Müädchen aber setzte sich traurig an den Spinnrochen und versuchte sich die Zeit mit Spinnen zu vertreiben. Aber in ihrer Herzensangst kamen ihr häßliche Bilder vor; die Spindel und das Ganrn schienen ihr blutig zu sein, und es war ihr, als spinne sie ihr Leichenhemd. Sie nahm also das Gesangbuch und die Bibel zur Hand, allein alles half nichts, es wollte Kkeine Ruhe in ihr ängstlich schlagendes Herz einziehen. Endlich hörte sie die Gloche zur Frühmette läuten; sie eilte heraus, um zu sehen, ob ihr Bräutigam zurückgekehrt sei, allein weder jetzt noch nach dem Schlusse der Mette ließ er sich sehen. Endlich hatte sie keine Ruhe mehr. Sie bat einen ihr freundlich gesinnten Nachbar, sie nach dem erwähnten Dorfe zu begleiten, um dort zu hören, ob ihrem Geliebten etwas zugestoßen sei. Als sie aber dort ankamen, hörten sie, derselbe sei zwar dagewesen, aber schon seit Mitternacht wieder fortgefahren und sie Konnte also nicht mehr zweifeln, daß ihm ein Unglück begegnet sei. Auf dem Büch- wege verfolgten sie nun die Spur, welche der Kärrner mit seinem Wagen hinterlassen hatte, und dieselbe führte sie auch deutlich nach einer morastigen, aber grundlosen Stelle eines den Stollbergern unter dem Namen des Walbtteiches bekannten Weihers, wo sie auf einmal aufhörte. Jetzt konnte die Arme nicht mehr an dem Schick- sale ihres Bräutigams zweifeln; sie Nehrte verzweifelnd in das Städtchen zurüch und sprach im halben Wahnsinn zu ihrer alten Mutter, in drei Monaten werde sie ihr Anton zu Trauung abholen, bis dahin mühsse sie sich ihr Hochzeitskleid spinnen. So spann sie denn emsig bis zum Osterfeste, und als die Mitternacht des Vor- abends desselben gekommen war, da düntkte es sie, es poche jemand dreimal ans Fenster. Sie öffnete es und es schien ihr Bräuti- Zgam draußen zu stehen, zwar mit totenbleichem, aber himmlisch freundlichem Gesichte; er lud einen Myrtenkranz und Zypressenranken