Erster Teil. Die Quellen der Militärgewalt. I. Die Verfassung. Die höchste staatsrechtliche Quelle im Deutschen Reich ist die Verfassungsurkunde des Norddeutschen Bundes bzw. Deutschen Reiches. Sie teilt die Staatsgewalt im Deutschen Reich in zwei Teile mit ganz bestimmten Funktionen und genau umgrenzten Kompetenzgebieten, in die Reichsgewalt und in die Einzelstaatsgewalt; und zwar dadurch, daß sie der bei Gründung des Norddeutschen Bundes alleinbestehenden Einzelstaatsgewalt eine Reichsgewalt gegenüberstellt, dieselbe organisiert und mit bestimmten Hoheitsrechten ausrüstet. Die Einzelstaatsgewalt unterwirft sie keiner Regelung; derselben gehören somit alle übrigen staatlichen Hoheitsrechte, die nicht ausdrücklich der Reichsgewalt zu- gewiesen sind. So das fast allgemein in der Staatsrechtwissenschaft anerkannte Grundprinzip der Verfassung. Auch die Militärgewalt findet in der Verfassung ihre Normierung: a 4 überträgt dem Reiche die Gesetzgebung und Beaussichtigung über das Militärwesen, und der 11. Abschnitt des besonderen Teiles der Ver- fassung überweist ihm bestimmte Vollziehungsbefugnisse bezüglich des Militärwesens. Die dem Reiche nicht überwiesenen Militärhoheitsrechte stehen nach obigem allgemeinen Grundsatz den Einzelstaaten zu. 1 Sollte dieser Grundsatz bezüglich der Militärgewalt nicht Platz greifen, so müßte er durch die Verfassung ausdrücklich ausgeschlossen sein; hält man dies nicht für nötig, müßte mindestens seine Ausschließung aus dem Inhalte des 11. Abschnittes der Verfassung klar hervorgehen; der 11. Abschnitt müßte die landesherrlichen Militärhoheitsrechte vollständig aufzählen. Tatsächlich fixiert er aber alle dem Reiche und dem Kaiser bezüglich des Heerwesens zustehenden Rechte und hebt nur einzelne einzelstaatliche und landesherrliche Militärhoheitsrechte hervor. 1 Nach anderer Meinung stehen alle den Einzelstaaten nicht zuerkannten Militärhoheitsrechte dem Reiche zu; s. u. a.: Gau 11. 2 Vgl. hierzu auch u. S. 54, oben.