Auf den Kriegsschauplätzen 95 Osterreich-Ungarn Gegen das österreichisch-ungarische Heer sind viel ungerechte Angriffe gerichtet worden über seine Haltung im Kriege, ungerecht insofern, als es die einzelnen, der Monarchie treuen Truppenteile nicht an Mut und Pflichttreue fehlen ließen. Aber das Gesamtgebäude des Heeres war den Aufgaben des Weltkrieges nicht gewachsen. Denn jedes Heer ist nur ein Bestandteil des Volkes. Kein Heer kann bestehen, wenn das Volk in Parteien oder einzelne Stämme zerrissen ist. Die Auflösung des österreichisch-ungarischen Staatenbundes war das zgiel starker Kräfte schon vor dem Kriege. Um seine Rückwirkung auf das Heer richtig einzuschätzen, muß man die Entwicklung von weit her kennen. Seit 1908 schon nahm die Zersetzungspropaganda ein lebhafteres Tempo an. Mit der Abwehr mußten sich die Zivilbehörden befassen, die obersten Stellen des Heeres waren darauf beschränkt, den Einfluß dieser zersetzenden Tätigkeit auf die Truppen nach Möglichkeit abzuhalten. Wenn sie auch alles in dieser Richtung taten, so war es ihnen doch nicht möglich, die jahrelange Arbeit dieser Propaganda unschädlich zu machen. Sie konnte zwar durch die militärische Schule zurückgedrängt und am offenen Ausbruch verhindert, aber nicht ausgetilgt werden. Dabei beschränkte sich die feindliche Propaganda nicht nur auf die Bevölkerung, sondern sie drang auch in die Kasernen ein, und es ist erwiesen, daß diese Propa- ganda in enger Verbindung mit den Generalstäben der Monarchie feind- lich gesinnter Staaten arbeitete. Sie war also bereits vor dem Kriege ein Teil des Nachrichtendienstes und ging während des Krieges ganz in dessen Bereich auf. Die militärischen Befehlsstellen, welche bereits im Frieden den Kampf dagegen aufnahmen, wurden der Schwarzseherei beschuldigt und von denjenigen politischen Kreisen bekämpft, die aus der Monarchie heraus den Gegnern entgegenarbeiteten. Rußland trieb seit Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahr- hunderts, seitdem ein Krieg mit Osterreich-Ungarn unvermeidlich schien, Spionage. Seit dem russisch-iapanischen Kriege nahm diese wie gegen Deutschland, so auch gegen Osterreich-Ungarn zu. Der Unterschied be- stand nur darin, daß gegen Deutschland Frankreich die treibende Kraft war, während Rußland gegen Osterreich eigene politische Motive hatte. Die russische Spionage in Osterreich war fast noch stärker gewesen als die gegen Deutschland. Im Jahre 1910 gelang es, 19 russische Spione