— 57 — Unser Vaterland ist fortan von den Hussiten für immer ver— schont geblieben. Nur nach und nach konnte sich das Land von den ihm geschlagenen furchtbaren Wunden erholen. Auf lange Zeit hinaus war der Wohlstand Sachsens vernichtet. Eine schwere Theuerung brach aus und Tausende kamen an den Bettelstab. Der Hussitenkrieg bleibt eine der furchtbarsten Heimsuchungen, die unser geliebtes Vater- land betroffen haben. Hier und da erinnern noch manche Einrichtungen an jene un- glückseligen Zeiten. So feiert man in Kamenz, das damals noch nicht sächsisch war, heute noch ein „Forstfest“". Mit diesem Feste hat es folgende Bewandtniß. Eine Abtheilung der gefürchteten Hussiten- horden nahte sich der mit Angst erfüllten Stadt und hauste eine Zeit lang in dem nahgelegenen Walde. An längeren Widerstand war nicht zu denken und der Stadt drohte gleiches Schicksal, wie den anderen eingeäscherten Ortschaften. Da wagte man es, das Herz der Barbaren zu rühren und zu versuchen, ob nicht vielleicht ein Funke Mitleid wach zu rufen wäre. Die Jugend sollte einen Bittzug veranstalten. In demüthigem Aufzuge erschien dieselbe vor dem feindlichen Anführer und bat flehentlich um Schutz für die Stadt. Dies wirkte. Der Anführer meinte, ihr habt das Unglück noch zu guter Zeit „gerochen“, und er zog mit seinen Scharen ab.') Zur Erinnerung an diese glückliche Errettung der Stadt feiert man auf einem freien Platze im Walde jenes Fest, welches namentlich zu einem Kinderfeste geworden ist. 23. Der Bruderkrieg (1446—1451). Kaum hatte sich Sachsen von den furchtbaren Verheerungen, welche der Hussitenkrieg angerichtet, etwas erholt, als es von neuem die Waffen klirren hörte. Diesmal drang kein fremder Feind in unser Vaterland, nein, die Bewohner des Meißner= und Thüringer- landes zogen wider einander, bekämpften sich als die erbittertsten Feinde, raubten einander Hab und Gut und zerstörten Städte und Dörfer. Was führte aber die Bewohner Eines Landes zu einer so unglücklichen That? Einer der Söhne Friedrich des Streitbaren, Wilhelm, hatte die schönen Worte wieder vergessen, die der Vater auf seinem Sterbebette an seine Kinder richtete: „Seid einträchtig, gebet Einer dem Anderen nach und vergebet einander.“ Anfangs lebten die beiden Brüder Friedrich und Wilhelm in Liebe und Eintracht. *) Die Redensart: Du hast eine „Kamenzer Nase“ soll sich davon herschreiben.