— 65 — c) Rettung der geraubten Prinzen.“) Kunz hatte mit seiner theuern Beute den dichten Wald zwischen Elterlein und Grünhain glücklich erreicht. Böhmens Grenze war nicht mehr fern, und Kunz hielt sich nun für sicher. Der schnelle Ritt in der glühenden Julisonne hatte nicht blos die schnaubenden Rosse, sondern auch den abgehärteten Ritter mit seinen Begleitern ermüdet. Vor allem klagte der von Angst aufgeregte Prinz über brennenden Durst. Im kühlen Schatten des Waldes machte Kunz Halt, um ein wenig zu verschnaufen, wandelte ihn doch, seinem Ziele so nahe, nicht die geringste Besorgniß mehr an. Er entließ sogar, mit Ausnahme des Knappen Schweinitz und eines Knechtes, seine übrigen Begleiter, welche die nahe Grenze Böhmens überschreiten und ihn auf seinem Schlosse erwarten sollten. Dem Prinzen gestattete er, sich mit Erd- beeren zu erquicken, und er selbst streckte seinen müden Leib auf die weiche Moosdecke. So ganz menschenleer war aber der Wald nicht, wie Kunz geglaubt. In einiger Entfernung saß ganz unbemerkt ein armer Kohlenbrenner, Namens Georg Schmidt, um seinen Appetit an seinem frugalen Mittagsbrot zu stillen. Neben ihm ruhte sein treuer Hund, der plötzlich aufsprang und den Berg hinablief. Der Köhler folgte ihm, um zu sehen, was es gäbe. Da erblickte er zu seiner nicht geringen Verwunderung stattliche Leute, wie er sie in dieser Waldeinsamkeit noch nie gesehen. Sie erregten seine ganze Auf- merksamkeit; möglich, daß auch das Geheul der Sturmglocken sein Ohr berührte. Ueberdies war ihm auch schon eine dunkle Kunde von dem in Altenburg Vorgefallenen zugegangen. Sein Lehrbursche, Urban Schmidt, aus der Stadt zurückgekehrt, hatte ihm mitgetheilt, daß er gehört, in Altenburg sei ein „großer Raub“ ausgeführt worden. Georg Schmidt näherte sich dem Ritter und fragte ihn: „Von wannen kommst Du und wohinaus willst Du mit diesem Knaben?“ Kunz antwortete gleichgiltig: „Es ist ein böser Bube, der seinem Herrn entlaufen ist, dem ich ihn nun wieder zuführen muß.“ Diese Worte erregten Schmidts Argwohn noch mehr. Er suchte sich dem Prinzen zu nähern, und dieser flüsterte ihm zu: „Ich bin ein Prinz von Sachsen, rette mich, mein Vater wird Dir's gut vergelten!“ Schweinitz hielt alles für verrathen und wollte den Prinzen mit seinem Schwerte niederhauen, aber Georg Schmidt hielt diesen Streich mit seinem Schürbaum auf und hetzte seinen Hund auf den Knappen. Jetzt *) Ich folge hier mit Angabe der kleinsten Vorfälle der gewöhnlichen Darstellung der Rettung der Prinzen, obwohl mit Gewißheit angenommen werden muß, daß einzelnen Umständen im Laufe der Zeit Ausschmückung beigesellt und daß manche Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten als aus- gemachte Thatsachen hingestellt worden sind. Geschichte Sachsens. 5