— 84 — hatte, mögen folgende Beispiele beweisen. Einst ritt der Kurfürst, von einem einzigen Diener begleitet, vor Wittenbergs Thoren spa— zieren. Hier traf er eine Schar fröhlicher Kinder, welche nicht blos um einen daliegenden großen Bottich herumsprangen, sondern sich auch in das Innere desselben wagten. Der Kurfürst hielt sein Roß an und sah dem Spiele der Kinder mit sichtbarer Freude zu. Diese kannten den leutseligen Fürsten und hatten schon oft Beweise seiner Liebe erfahren. Ungestört setzten sie ihre Spiele fort, und was machte der kinderfreundliche Kurfürst? Er schickte seinen Diener nach Meth und Semmel in die Stadt und ließ diese Gaben unter die Kinder vertheilen. Neuer Jubel brach unter der beglückten Kinderschar aus und der Kurfürst ergötzte sich an der Unschuld und an den verklärten Gesichtern dieser Kleinen. Befand sich der Kurfürst auf Reisen in fremden Ländern, so freute er sich ebenfalls, sobald ihm muntere, fröhliche Kinder begegneten, und er ließ nicht selten Geld unter sie vertheilen. Einst sagte er bei dieser Gelegenheit zu seinem Kammerdiener: „Lieber, gieb ihnen allen reichlich, denn sie werden nach Jahren noch sagen: „Einst zog ein Herzog von Sachsen vorüber und beschenkte uns, da wir noch kleine Kinder waren, mildiglich.“ Namentlich wandte sich seine Liebe den armen, verlassenen Kindern und den Waisen zu. Da scheute er keine Mittel, diesen Kindern fortzuhelfen und für ihre Er— ziehung und Ausbildung zu sorgen. An vielen erlebte er auch für sein Sorgen und Mühen die innigste Freude, „denn aus diesen Knaben,“ sagte sein Hofprediger Spalatin, „ist mancher ein frommer, ehrlicher Mann geworden.“ Eines Abends saß der Kur— fürst mit einem seiner Beamten zusammen und sprach bei dieser Ge— legenheit mit sichtbarer Freude von seinen Pflegekindern. Er zählte sie nämlich zusammen und fand, „daß ihrer etliche Hundert waren.“ Ein Kinderfreund ist auch ein Freund der Erwachsenen und dies war auch der Kurfürst. Ihm lag das Wohl aller seiner Unter— thanen, waren sie hoch oder niedrig, reich oder arm, am Herzen. Sein Glück sollte auch das Glück seiner Unterthanen sein und ihr Glück erhöhte zugleich sein Glück. Niemandem sollte und durfte Unrecht geschehen. Damals hatten die Bauern noch wenig Rechte. Die Edelleute schalteten gewöhnlich nach Belieben mit ihnen. So machte sich z. B. ein Junker des Kurfürsten nicht das geringste Ge— wissen daraus, eines Tages durch die grünenden Kornfelder zu reiten und das Getreide von den Hufen seines Rosses schonungslos nieder- treten zu lassen. Der Kurfürst bemerkte diese Rohheit mit dem größten Unwillen, sagte aber jetzt absichtlich nichts. Abends saß dieser Junker mit an der kurfürstlichen Tafel. Der Kurfürst hatte seinen Dienern geboten, an den Platz des Junkers kein Brot zu legen. Ohne davon etwas zu ahnen, nahm der Tischgenoß Platz,