— 86 — Jahre 1508 ein junger Professor in Wittenberg ein, den Gott zu einem Rüstzeuge erkoren hatte, welcher das Evangelium Jesu Christi vor Kaiser und Könige tragen und vor aller Welt ein gutes Be— kenntniß ablegen sollte. Und dieser neue Professor war Martin Luther. 30. (Friedrich der Weise.) Dr. Martin Tuther. Anfang der Peformation. Zwanzig Jahre nach Friedrich des Weisen Geburt erblickte 1483 in Eisleben ein Sohn des Bergmanns Hans Luther das Licht der Welt, welcher in der Taufe den Namen Martin erhielt. Der kleine Martin wurde frühzeitig zur Schule, zum Fleiß, sowie überhaupt zu allem Guten angehalten. In seinem 14. Jahre be- suchte er ein Jahr lang die damals sehr berühmte lateinische Schule zu Magdeburg, ging aber dann nach Eisenach, wo sich die fromme Witwe des Bürgers Konrad Kotta seiner besonders annahm. Als achtzehnjähriger Jüngling bezog Luther 1501 die Universität zu Erfurt, wo er die Rechtswissenschaften studirte. Mit seinem eisernen Fleiße verband er die aufrichtigste Gottesfurcht, und er sagte oft: „Fleißig gebetet, ist über die Hälfte studirt.“ In seinem 22. Jahre machte er eine Entdeckung, die auf seine ganze Lebenszcit den größten Einfluß ausübte. Er fand nämlich auf der Universitäts- Bibliothek zum ersten Male eine vollständige Bibel. Wie staunte er über diese Entdeckung! Die Bibel wurde ihm von nun an sein theuerster Schatz. Er las sie fleißig und studirte überhaupt so eifrig, daß er nach vier Jahren Magister werden konnte und selbst öffent- liche Vorlesungen halten durfte. Unerwartet trat jetzt in Luthers Leben eine Wendung ein, die ihn zu dem Werkzeuge vorbereitete, wozu ihn Gott in seiner Kirche brauchen wollte. Im Sommer 1505 wurde Luther auf wunderbare Weise vom nahen Tode errettet. Sogleich gelobte er Gott, ins Kloster zu gehen, und sich hier, wie er damals noch dachte, das ewige Leben durch klösterliche Heiligkeit zu verdienen, und in der That führte er auch jenes Vorhaben am 10. Juli aus. Er meldete sich in Erfurt zur Aufnahme in ein Augustinerkloster. Hier übte er sich täglich im Wachen, Beten, Lesen, Fasten und in Ertragung körperlicher Kasteiungen, um sich auf diese Weise Gottes Gnade zu erwerben; aber sein Herz fand auf diesem Wege den Frieden nicht, nach welchem es sich sehnte. Später erkannte Luther, daß uns nicht äußere Werke vor Gott gerecht machen, sondern allein der lebendige Glaube an unsern Herrn Jesum Christum. Nachdem Luther die Priesterweihe empfangen, sollte er gar bald die Einsamkeit des Klosterlebens mit einem öffentlichen Lehramte an der Universität zu Wittenberg ver-