— 87 — tauschen. Friedrich der Weise hatte dem Oberaufseher (General-= vicar) der Augustinerklöster im Meißnischen und Thüringischen, Dr. Staupitz, aufgetragen, ihm tüchtige Lehrer für seine neue Univer- sität vorzuschlagen. Dr. Staupitz schätzte den jungen Priester Martin Luther in Erfurt hoch und er berief ihn im Auftrage des Kurfürsten nach Wittenberg. Kaum hatte Luther seine Vorlesungen begonnen, so urtheilte ein gelehrter Mann (Dr. Mellerstadt) folgender- maßen über den neuen Professor: „In dem Manne ist ein hoher Geist, der steht fest auf der Bibel und auf Jesu Christi Worte, das kann niemand umstoßen." An Christum und sein Evangelium schloß sich Luther immer fester, zumal da er sich überzeugt hatte, daß in Rom bei dem Papste und seinen Priestern das Heil der Seele nicht gefunden werden könne. Zu dieser Erkenntniß trug eine Reise sehr viel bei, welche Luther im Jahre 1510 nach Rom unternehmen mußte. Mit tiefer Ehrfurcht betrat er den Sitz des Statthalters Christi, aber er erstaunte gewaltig, als er das unheilige Leben des Papstes Julian II. und der hohen Geistlichkeit kennen lernte. Auf der Rückreise von Rom ging in Luthers Seele ungemein viel vor. Was er in Rom gesehen und gehört hatte, stimmte mit den Worten der Schrift nicht überein: „Ein Bischof soll untadelig sein, als ein Haushalter Gottes.“ Mit immer größerem Eifer studirte Luther die Bibel, und dazu hielt er sich um so mehr verpflichtet, da er im Jahre 1512 Doctor der hei- ligen Schrift geworden, was damals eine weit wichtigere Würde war, als jetzt. Luthers Freund und Gönner, Dr. Staupitz, hatte bei dieser Gelegenheit gesagt: „Unser Gott wird bald im Himmel und auf Erden viel zu schaffen bekommen, darum wird er viele und ar- beitsame Doctoren haben müssen.“ Dieses prophetische Wort sollte gar bald in Erfüllung gehen, und merkwürdiger Weise trug der da- malige Papst Leo X. wider seinen Willen selbst dazu bei. Dieser Papst schickte nämlich mehrere Priester nach Deutschland, die den Christen Ablaß, d. h. Erlassung der Bußübungen und Vergebung der Sünden für Geld anboten. Solch ein Ablaßkrämer kam auch nach Sachsen. Es war dies der Dominikanermönch Johann Tetzel, welcher den Leuten vorspiegelte, er könne im Namen des Papstes auch die gröbsten Sünden vergeben, ja, sogar Sünden, die man erst noch zu vollbringen willens sei. Nach Wittenberg selbst wagte sich Tetzel nicht, wohl aber schlug er seinen Handel in Jüterbogk, acht Stunden von Wittenberg ent- fernt, auf. Nach Jüterbogk pilgerten denn auch verschiedene Ein- wohner Wittenbergs, kauften sich für ihr sauer verdientes Geld Ablaßbriefe und standen nun in dem Wahne, daß sie keine Buße zu thun nöthig hätten. Das ging Luther zu Herzen und unumwunden erklärte er den betrogenen Leuten, Vergebung der Sünden könne für