— 93 — das Meiste seinen Herren als Abgabe zu. Außerdem erfuhr er die roheste Behandlung und die himmelschreiendsten Ungerechtigkeiten. Gab es denn keine Obrigkeit, bei welcher sich der Bauer Recht schaffen konnte? Obrigkeiten gab es wohl, aber für den Bauer waren sie so gut wie nicht vorhanden. Gewöhnlich machte sich der Landmann sein Schicksal durch Klagen nur noch drückender, denn Beschwerden wurden ihm als Ungehorsam, als Widerspenstigkeit ausgelegt. Hierzu kam, daß damals die Bauern in größter Unwissenheit lebten. Die meisten konnten weder lesen, noch schreiben. Je unwissender der Bauer war, desto lieber war dies den Edelleuten; denn mit dummen Leuten konnten sie nach Belieben schalten und walten. Jede Ungerechtigkeit aber wird bestraft, sei es früher oder später. Die Unzufriedenheit und der Mißmuth der Bauern über die er— fahrenen Unterdrückungen wuchs zusehends. Tausende rotteten sich endlich zusammen, bewaffneten sich mit Dreschflegeln, mit Sensen und Heugabeln und fielen über die Schlösser der Edelleute her, steckten sie in Brand und ermordeten ihre Besitzer. Das war eine Selbsthilfe, die verwerflich und unchristlich war. Wer Unrecht er— fährt, versündigt sich schwer, wenn er anderen gleiches Unrecht, und wie es hier geschah, noch größeres zufügt. Auch die Bauern in Thüringen ließen sich zu dergleichen Gewalt— thätigkeiten hinreißen. Anstatt diese Leute zur Ruhe zu ermahnen und sie aufzufordern, durch vereinte Vorstellungen bei den Fürsten um Erleichterung ihres Schicksals zu bitten, stachelte man sie immer mehr zur Empörung auf. Namentlich geschah dies von Thomas Münzer und seinem Gehilfen, dem Mönch Pfeiffer. Thomas Münzer war der unruhigste Mensch, den man sich denken kann und schon in seiner Jugend war er ein böser Bube, der nichts als lose Streiche verübte. Jedenfalls hatte er als Knabe nicht viel Gutes bei seinen Eltern gesehen und gehört; denn sein Vater starb als Verbrecher am Galgen. Später wurde Münzer Prediger und wir finden ihn in den Jahren 1520 und 1521 als Geistlichen an der Katharinenkirche in Zwickau angestellt. Anstatt aber das Wort der Schrift: „Jedermann sei unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat,“ seinen Zuhörern ans Herz zu legen, predigte er in seiner Gottlosigkeit Aufruhr und Empörung. « Münzer verließ Zwickau und eilte zur Zeit der Bilderstürmerei nach Wittenberg, wo er sein Unwesen fortsetzte. Sehr bald gelang es indes der gewaltigen Predigt Luthers, Ordnung und Ruhe wieder herzustellen, und Münzer eilte nach Thüringen. Hier predigte dieser Mensch das unsinnigste Zeug, das sich denken läßt. Auf den Kanzeln und freien Plätzen lehrte er frank und frei, man müsse die Fürsten und Obrigkeiten fortjagen und Hab und Gut der reichen Einwohner an arme Leute vertheilen. Je größer der Unsinn war, desto lieber