— 94 — hörte ihn die bethörte und unwissende Menge. Sein Anhang wuchs mit jedem Tage und nun zog er aus, zu plündern und zu rauben, zu sengen und zu morden und war dabei so frech, zu sagen, der Vater im Himmel habe es ihm befohlen und Gott habe ihm alle Macht der Erde gegeben. Am tollsten wüthete er in den Klöstern, sowie in den Schlössern der Adeligen. Er zertrümmerte die Altäre, zerstörte kostbare Gemälde, nahm die Glocken von den Kirchthürmen und ließ sie zu Kanonen umgießen, mißhandelte die Mönche und verübte andere Grausamkeiten. In Mühlhausen erstürmte er mit seiner Rotte das Rathhaus, jagte die Rathsherren zur Stadt hinaus und nahm nun selbst die Bürger- meisterstelle ein. Obgleich er den Leuten vorpredigte, die Obrigkeiten müßten abgeschafft werden, so scheute er sich doch nicht, die obrigkeit- liche Gewalt an sich zu reißen, nicht um das Volk, sondern um sich selbst war es ihm zu thun; aber die unwissende Menge blieb ver- blendet. Münzers Anhang wuchs täglich. Die Bauern verließen Haus. und Hof und scharten sich um ihren Lügenprophet. Diesem Unwesen konnten die Fürsten nicht länger ruhig zu- sehen; sie riefen ihre Mannen zusammen und rückten den Empörern entgegen. An der Spitze von 8 — 9000 Banern stand Münzer in der Gegend von Frankenhausen (im jetzigen Fürstenthum Schwarzburg- Rudolstadt). Hier verschanzte er sich in aller Eile auf einem Berge, der heute noch Schlachtberg heißt. Hinter seiner Wagenburg. waren die Bauern aufgepflanzt, die einen eigenen Anblick gewährten. Manche trugen zwar Flinten, Degen und Lanzen, andere aber schwangen in ihren nervigen Händen Dreschflegel und Heugabeln. Nun wollte es Münzer auch anderen Feldherren gleichthun und seine Scharen durch begeisterte Ansprachen zur Tapferkeit er- muthigen. Dies zu thun hatte er auch alle Ursache, denn beim Herannahen der Truppen ergriff viele der irregeleiteten Bauern Furcht und Schrecken und diese hielten es am gerathensten, sich gar nicht an der Schlacht zu betheiligen, sondern vor Beginn derselben die Flucht zu ergreifen. Um dem Ausreißen vorzubeugen, säumte Münzer mit seiner Ansprache nicht länger. „Gott ist mit uns!“ rief er seinen zitternden Leuten zu. „Wer von Euch heute in den vorderen Reihen fällt, der steht hinten wieder auf, wenn die anderen vorübermarschirt sind. Die Kugeln, die von den Feinden auf uns geschossen werden, fange ich alle in meinem weiten Priestermantel auf.“ — Wie entsetzlich groß muß damals die Unwissenheit gewesen sein! Kaum hält man es für möglich, und doch war es so: Die unwissende Menge glaubte diesen Unsinn. Münzer hatte für den Augenblick erreicht, was er erreichen wollte. Die Bauern blieben bei ihren Fahnen und zeigten sich so kampflustig, daß sie augenblicklich