— 119 — machen, wurden unterlassen. Sehr leicht wäre es ihm auch gewesen, sich in seine Festung Wittenberg zurückzuziehen, welches Bollwerk. dem Kaiser schwerlich in die Hände gefallen sein würde, sobald es nur in tüchtigen Vertheidigungszustand gesetzt worden wäre. Der Kaiser folgte dem Kurfürsten auf dem Fuße. Bei seinem Zuge berührte er auch die Stadt Leisnig, deren Einwohner die treueste Anhänglichkeit an den geächteten Kurfürst an den Tag gelegt hatten. Die Kunde von der Ankunft des Kaisers- setzte alles in Schrecken und Angst, denn in jener Zeit kannte der Sieger kein Er- barmen und kein Schonen. Am 21. April hielten der Kaiser, König Ferdinand, die Herzöge Moritz und sein Bruder August, der kaiserliche Feldherr Alba und viele andere hohe Herren ihren Einzug in Leisnig. Auf den Straßen wogten so dichte Menschenmassen durcheinander, daß der Bürgermeister, der Stadtschreiber und andere Abgeordnete, welche den Kaiser um Gnade für die Stadt bitten wollten, erst nach großer Anstrengung ihr Ziel erreichten. Vor dem Kaiser angelangt, fielen die Abgeordneten auf ihre Knie, und der Stadtschreiber brachte ebenfalls kniend seine Bitte für die Stadt an. Obgleich der Kaiser die deutsche Sprache ziemlich verstand, so liebte er sie doch so wenig, dh er durch einen Dolmetscher mit den Abgeordneten sprach. Dieser ergriff, nachdem der Stadtschreiber seine Fürbitte geendet, das Wort, aber der Kaiser unterbrach ihn, indem er sagte: „Nit also! Nit also!“ worauf er ihm einiges heimlich ins Ohr flüsterte. Jetzt fuhr der Dollmetscher in seiner Antwort fort, nannte den Kurfürsten ihren „gewesenen“ Herrn und meinte, der Kaiser wolle die armen Unterthanen nicht bestrafen, wohl aber den „Principal“. Dieser ungebührliche Ausdruck gefiel dem Kaiser so sehr, daß er ausrief: „Recht so, den Principal, den Principal!“ Noch immer lagen die Abgeordneten auf ihren Knien und boten nun dem Kaiser ein Geschenk von 50 Scheffeln Hafer an. Nachdem der Dolmetscher erklärt hatte, daß der Kaiser dieses Geschenk annehmen wolle, rief dieser: „Uff! Uff!“ reichte jedem die Hand und entließ sie. Abgeordnete und Einwohner waren über diese Aufnahme ganz entzückt, und in der That hatte man damals von Glück zu sagen, wenn der Sieger den Bewohnern einer eingenommenen Ortschaft nicht mit Feuer, Schwert und Galgen antwortete. Gar bald sollte diese Freude in Angst und Furcht umschlagen. Einige Bewohner hatten sich in ihrem unbesonnenen Eifer an den kaiserlichen Soldaten vergriffen. Darüber aufs höchste entrüstet, nahm der Kaiser sein Versprechen wieder zurück und wollte die Stadt nebst den umliegenden Dörfern in Brand stecken lassen. Was schon der bloße Name eines berühmten Mannes und was die Tugend der Dank- barkeit zu bewirken vermag, davon konnten sich Leisnigs Bewohner in jener Stunde deutlich überzeugen. Ein kaiserlicher Offizier hatte