— 122 — mit den Worten an: „Großmächtigster, allergnädigster Kaiser“, aber Karl V. ließ ihn nicht weiter sprechen, sondern sagte: „So? bin ich nun Euer gnädiger Kaiser? Ihr habt mich lange nicht so geheißen!“ Der tiefgedemüthigte Kurfürst schwieg, zuckte die Achseln, neigte das Haupt und seufzte. Dann fuhr er fort: „Ich bin Ew. Kaiserlichen Majestät Gefangener und bitte um ein fürstliches Gefängniß!“ — In kaltem Tone entgegnete der Kaiser: „Ihr sollt gehalten werden, wie Ihr es verdient.“ Hierauf wurde der blutende Kurfürst in ein nahes Dorf gebracht, wo man ihm seine Wunden verband. In den Herzen der Feinde des evangelischen Deutschlands herrschte eine maßlose Freude. Nun, so hoffte man, würde es ein Leichtes sein, nach und nach alles wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen. Auch die katholischen Geistlichen zu Meißen glaubten nichts Besseres thun zu können, als zur Ehre Gottes über den erkämpften Sieg des Kaisers Lob= und Danklieder anzustimmen. Am Tage nach der Schlacht (den 25. April) wurde deshalb in dem prachtvollen Dome ein prunkvoller Gottesdienst veranstaltet. Es war nachmittags 5 Uhr, eben sang man den Ambrosianischen Lobgesang, da zuckte — es war im April — ein gewaltiger Blitzstrahl nieder und zerstörte unter anderem drei Hauptthürme, welche den Dom zierten, ferner die Orgel und die Glocken. Mit donnerähnlichem Krachen brachen die Thürme zusammen und richteten beim Niedersturze un- geheuern Schaden an. Der verheerende Blitz fuhr endlich durch die messingene Platte, welche das Grab eines Domherrn deckte, machte eine thalergroße Oeffnung in dieselbe und endete hier seinen furcht- baren Lauf. Nur der jetzt noch vorhandene sogenannte „höckerige“ Thurm blieb unversehrt. Welch eine wunderbare Fügung war dieses Schrecken erregende Ereigniß! Sollte dasselbe vielleicht die Antwort auf den Lobgesang sein? d) Kurfürst Tohann Friedrich der Eroßmüthige wird zum Tode verurtheilt. Die ernestinische Linie verliert die Zurwürde. Gefangenschaft des besiegten Kurfürsten. Der Kaiser traf nun Anstalten, das befestigte Wittenberg zu nehmen. So leicht ging dies aber nicht wie die Besiegung des kur- fürstlichen Heeres bei Mühlberg. Wittenberg gehörte damals zu den stärksten Festungen Deutschlands und konnte getrost der kaiserlichen Belagerung trotzen. Da griff der mächtige Kaiser Karl V., um die Uebergabe zu erzwingen, zu einem Mittel, das ihm zur Schande gereicht. Er ernannte ein Kriegsgericht, bestehend aus spanischen und italienischen Offizieren, welche über den gefangenen Kurfürsten zu Gerichte sitzen sollten, und wobei der blutdürstige Alba den Vorsitz führte. Dieses