— 126 — und die Ehe ihrer Geistlichen. Alles Uebrige war wieder nach katho— lischen Gebräuchen und Lehren eingerichtet. Als der Kaiser mit diesen Bestimmungen hervortrat, machte er große Augen, zuerst bei dem Kurfürsten Moritz, den er gewöhnlich seinen „lieben Sohn“ nannte, auf Widerstand zu stoßen. Von diesem hatte er dies nicht gefürchtet; sehr bald gab sich aber auch von anderen Seiten die größte Mißstimmung gegen das Interim kund, denn die Evangelischen sahen durch dasselbe fast alles wieder zerstört, was Luther und seine Gehilfen mühsam aufgebaut hatten. Recht erbau— lich für jeden evangelischen Christen ist ganz besonders auch das Ver— halten des gefangenen Kurfürsten Johann Friedrich bei der Zu- muthung, dieses Interim anzunehmen. Nichts, selbst das Versprechen des Kaisers, ihm die Freiheit zu schenken, war im Stande, den tief- gebeugten Zeugen der göttlichen Wahrheit von dem reinen Evangelio seines Herrn abzuwenden. In weltlichen Dingen, erklärte der Kur- fürst, werde er dem Kaiser gehorsam und treu bleiben und anderen zum Beispiele und zur Nachahmung dulden, was ihm der Kaiser noch auferlegen werde. Anstatt diese unerschütterliche Treue zu ehren, ließ ihn der Kaiser nur noch strenger halten. Sein Beichtvater, der ihn in der Trübsal oft erquickt hatte, mußte ihn verlassen, an katho- lischen Festtagen wurden ihm Fleischspeisen versagt und ihm endlich die Bücher und sogar die Bibel weggenommen. „Die Bücher können sie mir nehmen“, sagte der fromme Dulder, „aber das können sie mir nicht aus dem Herzen reißen, was ich aus ihnen gelernt habe: meinen Herrn Jesum Christum.“ — Frommer Dulder, Du warst standhaft im Unglücke, stark im Elende, treu in der Versuchung; Dein Beispiel entzünde in unserm Herzen gleiche Treue und in der Prüfungshitze gleiche Glaubensfreudigkeit! — Dem Beispiele des Vaters folgten auch die Söhne. Keine Drohungen des erzürnten Kaisers waren im Stande, sie zur Annahme und Einführung des Interims zu bewegen. „Wir können“, lautete die Antwort, „nichts gegen unser Gewissen thun.“ Aiehnliche Er- klärungen mußte der Kaiser auch von anderen Seiten vernehmen. Eine recht feste Burg hatte der gereinigte Glaube an Magdeburg ge- funden. Weder Bitten, noch Befehle, noch Drohungen vermochten die Stadt zur Annahme des Interims zu bewegen. Der aufgebrachte Kaiser erneuerte 1549 die Reichsacht, die er schon früher über die- selbe ausgesprochen hatte. Ging es in den Religionsangelegenheiten nicht so, wie der Kaiser gehofft hatte, so glaubte er dagegen, einen andern Lieblingsplan desto leichter ausführen zu können. Ihm lag nämlich der innige Wunsch am Herzen, daß nach seinem Tode sein Sohn Philipp den deutschen Kaiserthron besteigen möchte. Zunächst wollte er sich hierzu die Zu- stimmung des mächtigen Kurfürsten von Sachsen verschaffen, und er