— 160 — ruhig besprach, sondern daß viele ihre Ansichten und Behauptungen in einer Weise vertheidigten, die nicht zum Frieden führen konnte.“) Außer Luther wünschte aber niemand sehnlicher Frieden und Einigkeit in der evangelischen Kirche, als Philipp Melanchthon, der durch Rath und Schrift der Kirchenverbesserung so große Dienste geleistet hatte. Um diese zu fördern, hatte er 1540 den 10. Artikel der Augsburgischen Confession, der vom heiligen Abendmahle handelt, ein klein wenig abgeändert und namentlich den Zusatz weggelassen: „Derhalben wird auch die Gegenlehre verworfen.“ Um die Ver— einigung beider Parteien zu Ende zu führen, gingen viele Freunde Melanchthons nach seinem Tode, der 1560 eintrat, noch weiter. Vater August und Mutter Anna waren aber von ganzem Herzen dem Bekenntnisse zugethan, wie es die evangelisch-lutherische Kirche auf Grund der Schrift angenommen und in der Augsburgischen Confession ausgesprochen hatte. Beiden war jede Hinneigung zu Zwingli's und Calvins Lehre ein Greuel. In Sachsen mußten deshalb diejenigen, welche sich auf die Seite der schweizerischen Reformatoren neigten, ihre Ansichten möglichst geheim halten, und wurden deshalb heimliche Anhänger Calvins oder Kropto- calvinisten genannt. Merkwürdigerweise befanden sich mehrere Kryptocalvinisten in Augusts nächster Umgebung, ohne daß er die geringste Ahnung davon hatte. Zu diesen gehörte z. B. sein Kanzler Dr. Cracau, Augusts Leibarzt Dr. Percer (Melanchthons Schwiegersohn), sogar sein Beichtvater Dr. Stössel, der Hofprediger Schütz und andere. Diese Männer waren nicht blos im Herzen Calvins Lehren zugethan, sondern sie arbeiteten auch im Stillen darauf hin, das ganze Land zum Calvinismus zu führen. Natürlich konnte ihr Be- streben nicht lange ein Geheimniß bleiben und namentlich machte das Ausland wiederholt darauf aufmerksam, daß von Sachsen aus auf allgemeine Einführung des reformirten Glaubensbekenntnisses hin- gearbeitet würde. Unerklärlich bleibt es, daß der sonst so scharf sehende Vater August jahrelang getäuscht werden konnte. In jenen Be- hauptungen erblickte er nichts weiter, als Verleumdungen; und daß sich in seiner Umgebung Kryptocalvinisten befinden sollten, hielt er geradezu für eine Unmöglichkeit. Ganz unerwartet wurden ihm die Augen geöffnet. In einem Briefe, welcher dem Kurfürsten in die Hände kam, hatte sein Hofprediger nach Kassel geschrieben: „Wenn wir (Calvinisten) nur erst die Mutter Anna auf unserer Seite haben, so wollen wir den Herrn (er meinte den Kurfürsten) auch bald kriegen.“ ) Es war dies eine Erscheinung, die keineswegs blos in der evan- gelischen Kirche zu Tage trat; wir begegnen derselben ganz besonders auch auf den Concilien der römisch -katholischen Kirche.