— 174 — verfolgte einander wie die ärgsten Feinde, und gegen das Jahr 1600 wollte es fast den Anschein gewinnen, als sollten die Bekenner der reformirten Kirche die Oberhand erlangen. Schmerzlich ist es zu beklagen, daß bei diesem hartnäckigen Streite um die reine Lehre und um das reine Bekenntniß das wahrhaft christliche Leben, das das ganze Wesen des Menschen durchdringt, bei so vielen Christen damals vergeblich gesucht wurde. Mit Ent- setzen würde es uns jetzt erfüllen, wenn wir Ohrenzeugen sein sollten von den Gotteslästerungen, die man oft öffentlich aussprach. Aus demselben Munde, der vielleicht Sonntags Gott lobte und ihm dankte, daß er nicht dieser oder jener Kirche angehörte, ging in der Woche Fluchen und Schwören, so daß die Obrigkeit mit weltlichen Strafen gegen solche Gotteslästerer einschreiten mußte. Eben so roh war das Verhalten der Leute des Nachts auf den Straßen, die damals in den Städten noch nicht, wie jetzt, erleuchtet waren. Doa schrie und tobte man wie das unvernünftige Vieh. Um auch diesem Unwesen Einhalt zu thun, gebot man, daß abends die Leute nicht ohne Laternen ausgehen sollten. Eine Hauptursache dieser Rohheiten war die Unwissenheit; dieser aber mit einem Male abzuhelfen, war eine Sache der Unmöglichkeit. Vater August sorgte nach Kräften, daß es auch in diesem Stücke nach und nach besser würde. Hatte Moritz besonders für die Gelehrtenschulen gesorgt, so richtete Vater August sein Augenmerk hauptsächlich auf die Volksschulen. In Städten wurden dergleichen für Knaben und Mädchen errichtet und auf dem Lande sollten wenigstens die Knaben Unterricht empfangen. Unwissenheit erzeugt aber nicht blos Rohheit, mit ihr geht auch der Aberglaube Hand in Hand, und dieser herrschte damals noch bei Reich und Arm, bei Hohen und Niedrigen. Da ließen sich die Leute von umherziehenden Zigeunern wahrsagen und betrügen, und kein Gesetz war im Stande, den „bösen Künsten“ dieser Betrüger zu steuern, so daß man sich gezwungen sah, die härtesten Maßregeln in Anwendung zu bringen. Man lieferte die aufgegriffenen Zigenner nach Dresden ab und hier wurden diejenigen, welche es mit ihren „bösen Künsten“ am ärgsten getrieben hatten, von der Brücke in die Elbe geworfen. Außer den Zigeunern zogen noch andere Landstreicher und Quacksalber von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt und hingen den Leuten schädliche Salben, Pulver, Latwergen und Gifte als heil- same Medicin auf. Ebenso gelang es damals auch anderen Betrügern, die sich sogar den Namen Propheten anmaßten, das unwissende Volk zu täuschen. So erschien z. B. im Jahre 1589, als Dr. Crell mit Einführung des reformirten Glaubens in Sachsen sein Unwesen trieb, ein höchst merkwürdiger Sonderling in Dresden. Er nannte sich Elias und