— 175 — trug ein langes weißes Kleid, das mit gelben Bändchen eingefaßt und mit schwarzen Kreuzchen besetzt war. Oeffentlich predigte er, daß Gott ihn nach Dresden gesandt habe, um den Kurfürsten vor dem Gifte der reformirten Lehre zu warnen. Als er genöthigt wurde, Dresden zu verlassen, kündigte er der Stadt Gottes Zorn und Straf— gericht an. Ueberhaupt wurde damals fast jedes Unglück als eine Strafe Gottes betrachtet, während doch Gott nach der deutlichen Lehre der Schrift über seine Menschenkinder auch Prüfungen verhängt, die Ver— trauen und Ergebung, Geduld und Erfahrung wirken sollen. An Unglücksfällen und an schweren Zeiten fehlte es gerade damals nicht. Namentlich wüthete die Pest (S. 161) in den Jahren von 1550 bis 1600 oft furchtbar in Sachsen; ebenso fehlte es nicht an theuren Zeiten und an der bittersten Hungersnoth, die damals um so empfindlicher wurde, da man die wohlthätige Kartoffel noch nicht kannte. So mußte man z. B. in den Jahren 1570 bis 1573 Kleie und Eicheln mit zu Brot verwenden. Im Jahre 1590 regnete es 38 Wochen hindurch fast gar nicht, so daß die Dürre dergestalt über- hand nahm, daß allgemeiner Mangel an Mahlwasser eintrat und daß man das Getreide kochen mußte, um nur wenigstens das Leben zu fristen. Aus Mangel an Futter verhungerte das Vieh im Stalle, und das Wild in Wald und Feld verschmachtete. Im September desselben Jahres erfüllte die Bewohner der Gegend um Dresden, Freiberg und Leipzig ein neuer Schrecken. Es stellten sich nämlich so bedeutende Erdbeben ein, daß die Glocken auf den Kirchthürmen anschlugen. Am Schlusse des 16. Jahrhunderts hatten sich viele Verhältnisse ganz umgestaltet. Namentlich waren die Lebensmittel bedeutend im Preise gestiegen. Bitter beklagte man sich, wenn man den Scheffel (50 Liter) Korn mit zwei Thalern (6 Mark) bezahlen mußte. Ebenso hatten sich die Preise für Kleidungsstücke, für Holz, namentlich für Fleisch gänzlich verändert. Natürlich erfuhren auch die Arbeitslöhne, die Forderungen der Handwerker und der Dienstboten eine bedeutende Erhöhung, so daß die Klagen über hohe Preise allgemein vernommen wurden. Dessenungeachtet konnte man sich damals schwer entschließen, sich bei besonderen Festlichkeiten, z. B. bei Hochzeiten, Kindtaufen, Kir- messen rc. einzuschränken. Bei Hochzeiten adeliger Personen stellten sich oft Hunderte von berittenen Gästen ein und 30 bis 40 Tische waren beim Gastmahl besetzt. Einen ähnlichen Aufwand fand man auch bei den Bürgern, namentlich bei den wohlhabenderen, so daß dieser Verschwendung wiederholt durch Gesetze gesteuert werden mußte. Freilich herrschte damals auch an dem Hofe mancher Kurfürsten ein Aufwand, wie er jetzt bei unserm Königshause bei der feierlichsten Veranlassung nicht im entferntesten zu treffen ist. Bei der Hochzeits-