— 195 — Erzgebirges betroffen hatte. Schon dröhnte Kanonendonner vor den Mauern der Stadt. Jeden Augenblick drohte den geängstigten Be— wohnern Tod und Verderben. Da dämmerte ein milder Hoffnungs- strahl in den Herzen der Annaberger. Eine ihrer Mitbewohnerinnen, die Gräfin Sidonie von Hassenstein, erbot sich, in des Feindes Lager zu gehen und um Gnade für die Stadt zu flehen. Und siehe, Holk, dessen Herz härter war, als das Gestein des Erzgebirges, dessen Wohlstand sein eherner Fuß zertrat, nahm die Gräfin freundlich auf und gelobte der Stadt Schonung; noch mehr, ihre Bitte bewirkte auch ein milderes Loos für Chemnitz und Freiberg, welchen Städten gleiches Schicksal, wie den verheerten Ortschaften, zugedacht war. Was stimmte aber den Feldherrn zu solcher Milde? Es war ein Zug von Dankbarkeit, den Raubgier und Mordlust nicht ganz zu verwischen im Stande gewesen. Gräfin Hassenstein, früher in Böhmen wohnhaft, hatte hier den General Holk, der in einem mörderischen Kampfe eine schwere Wunde erhalten, in ihr Haus aufgenommen und ihn gepflegt, wie einst der Samariter den Juden, der unter die Mörder gefallen war. Dessen erinnerte sich Holk, er fühlte ein „menschlich Rühren“ und schonte die Stadt um seiner Wohlthäterin willen. Da herrschte Freude und Jubel bei den Annabergern! Thränen des Dankes flossen ihrer Erretterin und Preis und Anbetung brachte man Dem, der das Herz des Feindes gewandt und Hilfe gesendet hatte in großen Nöthen. Solches aber trug sich zu am 24. August 1632. Holk und Gallas verließen das verheerte Erzgebirge und Voigtland und vereinigten ihre Truppen bei Altenburg mit Wallensteins Hauptheere. Jetzt hatte es Wallenstein auf das wohlhabende Leipzig abgesehen. Mit seiner Heeresmacht erschien er im Oktober vor dieser Stadt und nach kurzem Widerstande mußte es dem Sieger die Thore öffnen. Unser Kurfürst gerieth in die äußerste Noth. Die sächsischen Truppen befanden sich in Schlesien, welches Land zu verlassen nicht rathsam war, und so flogen Eilboten über Eilboten zu Gustav Adolph, um ihn zum zweiten Male zu Sachsens Rettung herbeizurufen. Gustav Adolph eilte dem Kurfürsten zu Hilfe, vereinigte sich unterwegs mit dem Herzog Bernhard von Weimar und stand am 1. November schon bei Naumburg. Da der König hier die Sachsen erwarten wollte, beabsichtigte er jetzt noch keinen Angriff. Auch Wallenstein war der Meinung, daß das Schlachtgetümmel bis zum Frühjahre schweigen würde und schickte seinen General Pappenheim mit einer Truppenabtheilung nach dem Rheine ab. Kaum hatte dies Gustav Adolph erfahren, so beschloß er, Wallenstein ohne Verzug anzugreifen. Dieser, von dem Anrücken der Schweden unter- richtet, stellte sein Heer an der Straße, welche von Lützen nach Leipzig führt, in Schlachtordnung auf. Am 5. November gelangte 13