— 204 — Munde herauslief und setzte die Qual, jetzt noch unter dem Namen „Schwedentrunk“ bekannt, so lange fort, bis die Unglücklichen ihren Geist aufgaben. Wie traurig es den Bewohnern mancher Städte in unserm Sachsenlande erging, mögen nur einzelne Beispiele zeigen; denn all das Elend zu schildern, welches über Hunderte von Ortschaften herein— brach, ist keine Feder zu thun im Stande. Zu den Städten, welche im Jahre 1637 in einen Schutthaufen verwandelt und deren Einwohner grausam hingeopfert oder zu Bettlern wurden, gehört vor allem Wurzen. Im Januar genannten Jahres zogen die Schweden unter Banner in die geängstigte Stadt ein. Zunächst verlangte der Feldherr von den Einwohnern die Summe von 12000 Thalern und versprach, sobald das Geld aufgebracht sei, Schonung der Stadt und Befreiung von Einquartierung. Mittels ungeheurer Opfer wurde das verlangte Geld aufgebracht, aber Banner dachte nicht ans Worthalten. Seine Truppen wurden einquartiert und diese drückten die armen Bewohner bis aufs Blut; aber die Noth sollte nach 9 Wochen einen Grad er- reichen, der sich kaum beschreiben läßt. Am 4. April rückte eine wilde Rotte von Reitern in die Stadt ein, welche schlimmer wüthete, als freigelassene Raubthiere. Sie ersannen alle Martern und Qualen, um Geld zu erpressen, oder die verborgenen Habseligkeiten zu erforschen. Sie schonten kein Alter und keinen Stand; selbst Kinder spießten sie an Piken oder nagelten sie an die Thore, um mit Pistolen danach zu schießen. „Es gab“, wie selbst der Scharfrichter bekannte, „keine Marter, die diese teuflischen Menschen nicht geübt hätten!“ Flehentlich baten die geängstigten Einwohner die Anführer, diesen furchtbaren Grausamkeiten doch Einhalt thun zu lassen, und da diese meinten, sie wüßten keinen andern Rath, als daß die Bewohner eiligst die Stadt verlassen möchten, so eilte alles der Mulde zu, um in Leipzig eine Zufluchtsstätte aufzusuchen. Siehe da, da stürzten die Schweden den Fliehenden wie wilde Bestien nach, hieben sie ohne Gnade und Barmherzigkeit nieder, banden andere an die Pferde und schleiften sie in die Stadt zurück Das Maß der Leiden war noch nicht gefüllt. Am 7. April, vormittags 10 Uhr, zündete der Feind die Stadt an und bald wogte ein furchtbares Feuermeer über diesem unglücklichen Orte. Was fliehen konnte, floh. Wer dem Flammentod entrinnen wollte, hauchte seinen Geist unter den Schwertern der Schweden aus. Die Reiterei hatte nämlich die Stadt umstellt und hieb nieder, was sie erreichen konnte, oder trieb die Unglücklichen in die Flammen zurück. Mit Ausnahme der Domkirche, der Schulhäuser und vier anderer Gebäude lag alles in Schutt und Asche. Wurzen war so gut wie vertilgt von der Erde. Diese Schreckens- woche ist heute noch unter dem Namen „Wurzener Marterwoche“ bekannt.