— 211 — seits war es aber erfreulich, daß sich Katholiken und Evangelische nach und nach daran gewöhnten, auf deutschem Grund und Boden friedlich neben einander zu wohnen. Die schroffe Scheidewand, welche früher beide Religionsparteien von einander trennte, wurde durch den westphälischen Frieden niedergerissen und man gelangte allmählich zu der Einsicht, daß es ein strafbares Beginnen sei, seinen Mitmenschen dann zu hassen oder wohl gar zu verfolgen, wenn er einer andern Kirche angehöre. 62. Ein Hlick auf die Verheerungen des dreizigfährigen Krieges. In dem allgemeinen Kirchengebete bitten wir Gott: „Bewahre uns vor Krieg und Theuerung, vor ansteckenden Krankheiten 2c." Was für unsägliches Elend Krieg, Theuerung und ansteckende Krank- heiten über die Menschen bringen können, zeigt der dreißigjährige Krieg. Auf diese Zeit könnte man auch jenes Wort unsers Heilandes anwenden: „Es wird eine große Trübsal sein, als nicht gewesen ist vom Anfang der Welt bisher und auch nicht werden wird.“ Zwar blutete ganz Deutschland unter der furchtbaren Kriegsgeißel, aber unser liebes Sachsen schien in jener Zeit dazu ausersehen zu sein, den Leidenskelch bis auf den Grund ausleeren zu sollen. Kein Krieg hat so viel Menschen hingerafft, als der dreißigjährige. Das Schwert und die Pest hatten die Einwohnerzahl unsers Landes bis weit unter die Hälfte verringert und einzelne Theile, z. B. das Voigtland, waren fast ganz entvölkert. Blühende Städte und Dörfer wurden entweder ganz oder theilweise zerstört. Viele Ortschaften haben nach dem dreißigjährigen Kriege den früheren Umfang und die frühere Wohlhabenheit nie wieder erreicht. So hatte z. B. Freiberg vor dem dreißigjährigen Kriege über 30 000 Einwohner, während es in jener unglücklichen Zeit so zu Grunde gerichtet wurde, daß es beim Friedensschlusse nur noch einige Tausend zählte und 50 Jahre später, also ungefähr um 1700, erst wieder auf 8000 angewachsen war. Seine 4 bis 5000 wehrhaften Leute waren bis auf 500 geschmolzen und in den Vorstädten waren 700 Häuser in Schutthaufen ver- wandelt. Leipzig, damals schon das Herz des deutschen Handels, sah siebenmal den Feind vor seinen Thoren und dieser fügte durch langwierige Belagerungen und durch sechsmalige Einnahme nicht blos den Einwohnern überhaupt, sondern auch dem Handel einen unberechen- baren Schaden zu. Dieser Stadt allein kostete der Krieg mindestens die Summe von 1½ Millionen Thaler, eine für damalige Zeit unerhörte Summe. Chemnitz fiel viermal in die Hände der Feinde und zwei Theile seiner Häuserzahl wurden zerstört. Außer diesen und namentlich den meisten Städten in dem unglücklichen Voigtlande hatten Zwickan (1641), Pirna, Wurzen, Pegau furchtbar zu leiden, die größtentheils 14