— 213 — Dieser Mangel an Vieh war ein allgemeiner. Da fehlte es an Zugvieh zur Bestellung der Felder. Der größte Theil der Aecker blieb brach liegen, und hatte man ja einmal einen kärglichen Ernte— segen erzielt, so mußte man die Garben auf Schiebböcken einfahren. An Schlachtvieh war fast gar nicht mehr zu denken. So konnte man z. B. in Dresden im Jahre 1643 in den Fleischbänken acht Wochen lang selbst für schweres Geld nicht 1 Loth (17 Gramm) Fleisch erhalten. Hungersnoth quälte die armen Menschen oft so entsetzlich, daß Hunde, Katzen und Mäuse als Leckerbissen von den Heißhungrigen verschlungen wurden; ja nicht selten sah man abgemagerte Menschen— gestalten sogar an Leichen herumnagen! Die Getreidepreise hatten, namentlich im Jahre 1639, eine so ungeheure Höhe erstiegen, daß der Scheffel (50 Liter) Korn mit 9, 10, ja sogar mit 11 Thalern (27, 30 und 33 Mark) bezahlt werden mußte, eine Summe, die damals fast nicht zu erschwingen war, da die Einquartierungskosten und die ungeheuren Kriegssteuern die armen Menschen gänzlich aus- sogen. Kinder zogen elternlos im Lande umher und schrieen nach Brot. Wie der Ackerbau, die Gewerbe und Künste in Verfall geriethen, so stockte auch der Handel gänzlich. Die Leipziger Messe mußte mehreremal verschoben werden und 1641 erschienen in Leipzig weder Käufer, noch Verkäufer, obgleich Torstenson den Handelsreisenden Schutz und Sicherheit zugesagt hatte. Zu diesen Uebeln gesellte sich ganz von selbst ein noch weit größeres. In solch einem entsetzlichen Kriege schwieg Gesetz und Ordnung. Der Kirchen= und Schulbesuch gerieth in Verfall. Auf dem Lande schwieg der Unterricht oft Jahre lang. Die Fürstenschulen blieben Monate lang geschlossen, und die Universität Leipzig zählte einmal so wenig Studenten, daß von 18 Freitischen nur noch 6 besetzt waren. Die Menschen verwilderten an Seele und Leib, sie zogen im Lande umher und verfielen auf Raub und Diebstahl. Ein Zeit- genosse dieses verderblichen Krieges schildert das Elend mit folgenden Worten: „Ihr wisset, wie die Lebendigen sich unter einander in Kellern und Winkeln zerrissen, todtgeschlagen und gegessen haben; daß Eltern ihre todten Kinder und Kinder ihre todten Eltern gegessen, daß viele um einen todten Hund oder Katze gebettelt und das Aas aus den Schindergruben genommen und verzehrt haben."“ Dieses schreckliche Bild stellt uns zwar den traurigen Zustand in ganz Deutschland dar, es findet aber ganz besonders auf unser Sachsenland seine Anwendung, da dasselbe unter jener furchtbaren Kriegsgeißel am empfindlichsten blutete. Der dreißigjährige Krieg wird in der Geschichte unsers Vaterlandes für immer die Zeit des größten Unglückes, der Noth und des Verderbens bleiben, womit dasselbe heimgesucht wurde.