— 223 — 1680 schritt er ans Werk und 1682 war alles so weit geordnet, daß er, außer der Besatzung in den Festungen, 10 400 Mann, und zwar über 7000 Mann Infanterie und über 2000 Mann Koavallerie als stehendes Heer zählte, welches Jahr als das Geburtsjahr der sächsischen Armee zu betrachten ist. Nur die Artillerie wurde damals bei jedem Kriegsfalle frisch einexercirt, welche Truppenabtheilung damals im Kriege wahrscheinlich lange nicht eine so wichtige Rolle spielte als jetzt; denn Sachsen zählte damals nicht ganz 150 (142) Mann Artillerie. An der Spitze dieses Heeres stand ein ungemein begabter Kriegs- herr, und dies war der Kurfürst Johann Georg III. selbst. Er war ein kräftiger, stattlicher Mann, welcher sich frühzeitig abgehärtet und in allerlei ritterlichen Uebungen vervollkommnet hatte. „Aus diesem Prinzen"“, sagte einst der Oberhofprediger Dr. Weller, „wird mit der Zeit ein herzhafter Kriegsheld werden, der schwer aus dem Sattel zu heben sein wird.“ Diese Prophezeiung ging wörtlich in Erfüllung. Kaum war das neue Heer ins Dasein gerufen, so bot sich auch schon eine wichtige Gelegenheit dar, eine glänzende Probe der Tapferkeit abzulegen. Zu jener Zeit zitterte die Christenheit, namentlich die in Deutschland, noch vor den Türken und man hatte auch alle Ursache, dieses Volk zu fürchten, denn der damalige Sultan Muhamed IV. sandte seine Heere aus, um unser größeres Vaterland zu unterjochen. Zunächst war es auf Wien abgesehen. Nun mußten die Türken, ufn nach Wien zu gelangen, ihren Zug durch Ungarn nehmen und hier waren sie auf kräftigen Widerstand gefaßt; allein es ging besser, als sie dachten. Der katholische Kaiser hatte sich die evangelischen Ungarn zu Feinden gemacht, weil er diese zum Katholicismus zurückführen wollte, und so konnten sie sich nicht entschließen, für einen Fürst zu kämpfen, der ihnen das Heiligste, was sie besaßen — ihre Religion — rauben wollte. Unangefochten wälzten sich ungeheuere türkische Heereshaufen mitten durch Ungarn gerade nach Wien zu. Ein Heer von mehr als 200 000 Mann, angeführt von dem Schwiegersohne des Sultans (Kara Mustapha), sollte der Hauptstadt Deutschlands und Oesterreichs den Untergang bringen. Da gab es Arbeit vor, da gab es schwere Arbeit in der Stadt. Vor der Stadt wurden von den Feinden Schanzen aufgeworfen, Laufgräben hergestellt, Minen gegraben. Kanonendonner von hier aus machte den Erdboden zittern, denn ein furchtbarer Kugelregen sollte Wiens Festungswerke zerstören. In der Stadt wurden Wälle und Mauern vertheidigt, die beschädigten Stellen wieder ausgebessert und den Angriffen der wüthenden Türken mit Löwenmuth 60 Tage lang Widerstand entgegengesetzt. Da ereignete sich für die Wiener ein Unglück, welches ihrer Stadt den Untergang drohte. Den Türken war es nämlich gelungen, ein Stück Festungs- mauer in die Luft zu sprengen. Der Anführer der Wiener (der