— 237 — IX. Die Kurfürsten von Sachsen und Könige von Bolen. 70. Kurfürst Friedrich August I. oder August der Starke. Seine Tugendgeschichte. Reisen. Ausbildung. Körperstärke. Liebe zu Pracht und Herrlichkeit. Friedrich August war der zweite Sohn Johann Georg III. und erblickte 1670 im Residenzschlosse zu Dresden das Licht der Welt. Sein Vater ließ ihm, sowie seinem ältesten Sohne, dem nachmaligen Kurfürsten Johann Georg IV., eine ausgezeichnete Erziehung zu Theil werden. Da Johann Georg III. über der Ausbildung seines eigenen Geistes die Ausbildung seines Körpers nicht vergessen hatte, so sorgte er gewissenhaft, daß der Geist seiner Söhne auch in einem gesunden Körper wohne, weshalb sie frühzeitig in allerlei Leibes- übungen unterwiesen wurden. Beide Brüder zeichneten sich durch hohe Geistesgaben aus, womit sich bei dem jüngeren namentlich auch körperliche Schönheit und eine außerordentliche Körperkraft ver- einigte. — Aus eigener Erfahrung erkannte Johann Georg III. den vortheilhaften Einfluß des Reisens auf die Bildung des Menschen. Er selbst hatte viele fremde Länder und Völker kennen lernen. Seine Söhne sollten sich ebenfalls in der Welt umsehen und sich mit fremden Sitten, Gebräuchen und Einrichtungen bekannt machen. Als siebzehnjähriger Jüngling trat Friedrich August seine erste große Reise an. Zunächst begab er sich nach Paris, wo ihn der französische König mit der größten Auszeichnung aufnahm, weshalb der Prinz auch längere Zeit an dessen Hofe verweilte. Im nächsten Jahre reiste er nach Spanien, und auch hier wurde ihm eine glän- zende Aufnahme zu Theil. Hier setzte der Prinz durch seine Un- erschrockenheit, Gewandtheit und Stärke alle in Erstaunen. Ihm zu Ehren wurde unter anderem ein Stiergefecht veranstaltet. Als ein starker wüthender Stier den Kampfplatz durchtobte, bat der Prinz, ihm die Schranken zu öffnen. Unerschrocken schritt er auf das furcht- bare Thier zu und auf einen einzigen, aber geschickt angebrachten Hieb fiel der Kopf des Stieres zu Boden. Von Spanien reiste Friedrich August nach Portugal, dann nach England, Holland, durch Frankreich nach Italien, wo er Mailand, Venedig und Florenz besuchte; dann ging er durch Tyrol und Steier- mark nach Ungarn und endlich nach Wien. Wohin er kam, war man über den ungemein gewandten, witz= und geistreichen, liebenswürdigen und schönen Prinzen von Sachsen entzückt, und in der That, Friedrich August besaß an Körper und Geist Vorzüge, wie sie nur wenigen verliehen werden.