— 295 — erlernen, und trat auch bald seine Lehrzeit an. Die Profession sagte aber dem jungen Lehrling nicht zu und er entlief deshalb seinem Meister wieder. Eiligst wurden Boten ausgesendet, die den Ent— laufenen aufspüren und ihn wieder zurückbringen sollten, indes sie kehrten unverrichteter Sache zurück. Der Flüchtling hatte nämlich in seiner Angst einen Baum erklettert und war in diesem Verstecke den Blicken seiner Verfolger entgangen. Glücklich zu Hause angelangt, wurde Rath gehalten, was weiter geschehen sollte. Von der Buch- binderei wollte Gottfried durchaus nichts mehr wissen. Nach Straß- burg stand sein Sinn, um hier bei seinem Onkel (Vaters Bruder“) die Orgelbaukunst zu erlernen. Wohl ahnte seine Mutter nicht, als sie diesen Plan unterstützte, daß sie dadurch ihren Sohn auf eine Laufbahn führte, die seinen Namen weltberühmt machen und für alle Zeiten in Ehren erhalten würde. Straßburg war glücklich erreicht, und sehr bald zeigte es sich, daß der junge Silbermann in der Orgelbaustätte den rechten Platz gefunden hatte. Hier entwickelte sich sein Talent mit Riesenschritten, und mit Gewißheit war vorauszusehen, daß er in der Orgelbaukunst einst Großes leisten würde. So kam es auch. Da Silbermann zur einstigen Gründung einer eigenen Werkstatt aus dem väterlichen Hause keine Beihilfe erwarten konnte, so übte er schon frühzeitig die Tugend der Sparsamkeit. Ausgerüstet mit den schönsten Kenntnissen im Orgelbaufache und versehen mit einer namhaften, mühsam ersparten Summe Geldes, kehrte Silbermann in sein Vaterland zurück. Sogleich legte er in Freiberg eine große Werkstatt an""), von welcher aus sein Name in kurzer Zeit in ganz Europa rühmlichst bekannt wurde. Mit der größten Genauigkeit, fast möchte man sagen, mit peinlichem Eigensinn führte er selbst die kleinsten Arbeiten aus. War ein Instrument nicht ganz nach Wunsch ausgefallen, so griff er nicht selten nach der Axt und zerschlug es auf der Stelle. Nur schwer konnten ihm seine Gehilfen zu Dank arbeiten, und merkwürdig, ob- gleich sie bei dem berühmtesten Orgelbauer ihrer Zeit in Arbeit standen, so gelang es nur wenigen, selbst große Meister zu werden. Jahr aus, Jahr ein mußte nämlich jeder Geselle ein und dieselbe Arbeit liefern. Einer seiner Gehilfen, welcher 30 Jahre lang bei ihm in Arbeit stand, fertigte in diesem langen Zeitraume Tag für Tag nichts weiter, als Wellen (Walzen) und Aermchen. Durch diese Einrichtung gewann der Meister höchst geschickte Arbeiter für jeden einzelnen Zweig seiner Werke und es erlangten dieselben deshalb eine Vollendung, die weit und breit Bewunderung erregte. « *) Nach anderen, aber irrthümlichen Angaben war es sein ältester Bruder, Andreas. **) Das Haus trägt jetzt eine hierauf bezügliche Inschrift.