— 296 — Weit über Sachsens Grenzen hinaus drang Silbermanns Ruf. Selbst Petersburg und Kopenhagen bemühten sich, den berühmten Mann den Ihrigen nennen zu können. Von allen Seiten empfing er Aufträge.') Unter den 47 Orgeln, die er für Sachsen lieferte, zeichnet sich besonders die Domorgel zu Freiberg ihrer Stärke wegen aus. Auch Dresden erfreut sich dreier großer Orgeln dieses Meisters; die erste erbaute er für die Sophien= und evangelische Hofkirche, die zweite für die Frauenkirche"*) und die dritte für die katholische Hof- kirche. Dieses Kunstwerk, für welches er 60 000 M. erhielt?“*), war das letzte seiner großartigen Schöpfungen. Ebenso vollendet wie Silbermanns Orgeln waren auch die von ihm erbauten Klaviere und Pianoforte. Letztere, eine Erfindung des jungen Schröter (Seite 270), erhielten durch Silbermann eine wesent- liche Vervollkommnung. Wie gesucht und geschätzt auch diese von ihm gebauten Instrumente waren, beweist z. B. der Umstand, daß Friedrich der Große allein sieben Silbermann'sche Pianoforte besaß, von denen jedes 2100 M. kostete. — Der berühmte Künstler endete in Dresden sein thätiges und ruhmvolles Leben im Jahre 1753. Durch Silbermann hatte Sachsen, wie erwähnt, 47 vorzügliche Orgeln erhalten. Dieses kunstreiche Instrument kann aber nur dann in seiner Größe und Erhabenheit erscheinen, wenn es von einem geschickten, kunstgeübten Organisten gespielt wird. Im vorigen Jahr- hunderte wirkte in Leipzig an der Thomasschule als Kantor und Musikdirektor ein Mann, welcher mit zu den größten und berühm- testen Organisten aller Zeiten gehört. Dieser Mann war Johann Sebastian Bach. Gebürtig war er aus Eisenach, wo er (den 21. März) 1685 das Licht der Welt erblickte. Seinen Vater, der als Organist in Eisenach wirkte, verlor er frühzeitig, weshalb sein alterer Bruder, ebenfalls Organist, dem jungen Sebastian den ersten Unterricht in der Musik ertheilte. So gründlich derselbe auch war, so wachte doch der ältere Bruder ängstlich darüber, daß der junge, höchst talentvolle Schüler in seiner Kunst nicht zu weit fortschreite, fürchtend, der Schüler möchte den Lehrer sonst überflügeln. Ein Genie wie Sebastian Bach weiß sich aber trotz aller Hinder- nisse Bahn zu brechen. Des Nachts verließ der junge Mensch in aller ) Daß er Aufträge von Straßburg erhalten und daß er namentlich die weltberühmte Orgel im Münster daselbst, deren größte Pfeife über 14 Eimer Wasser faßt, gebaut habe, wie man oft liest, ist nicht richtig, wohl aber baute er während seines Aufenthaltes in Straßburg zwei Orgeln, und zwar eine für die Nicolai= und eine für die Peterskirche daselbst. Jene Orgel ist das Werk des älteren Silbermann. **) Die hier und da zu lesende Angabe, daß diese Orgel 6000 Pfeifen enthalte, ist falsch. **) Ueberdies kostete das Gehäuse noch 8700 Mark.