— 300 — Zuhörer nicht zu fassen vermochten. Sein Ruf als Universitätslehrer drang in alle Länder Europas und viele Ausländer bezogen Gellerts wegen die Leipziger Universität. Aber nicht blos Studenten, auch Damen, selbst Greise mit schneeweißem Haar fanden sich in Gellerts Hörsaal ein. Im siebenjährigen Kriege (1756— 1763) sah Leipzig gar oft fremde Krieger in seinen Mauern, und da benutzten selbst viele Offiziere die Gelegenheit, die Vorlesungen des berühmten Professors zu besuchen, so daß man versucht war, Gellerts Hörsaal für das Vorzimmer eines Generals zu halten. Doch noch ganz andere Personen konnte Gellert zu seinen Zuhörern zählen. Die beiden künf- tigen Kurfürsten von Sachsen, — Friedrich Christian und Friedrich August der Gerechte, — ferner mehrere Prinzessinnen aus unserm Fürstenhause ließen sich von ihm Vorlesungen halten. Wie sehr selbst König Friedrich der Große von Preußen unsern Gellert ehrte, möge folgender Vorfall zeigen. Es war im Dezember 1760, als Gellert, von körperlichen Leiden niedergebeugt, in seinem Zimmer saß. Plötzlich öffnete sich die Thür und ein Offizier des großen Preußenkönigs trat ein, welcher ihn aufforderte, sich in der Wohnung des Königs einzufinden, weil dieser mit ihm zu sprechen wünsche. Gellert gerieth in die größte Verlegenheit. Bei seiner großen Einfachheit wandelte ihn ein gewisses Unbehagen an, vor dem größten Kriegshelden der damaligen Zeit zu erscheinen. Gellert er- klärte, die ihm zugedachte Ehre ausschlagen zu müssen, weil er seiner Krankheit wegen nicht ausgehen und nicht viel sprechen könne. Nach kurzer Zeit erschien der Offizier wieder, um im Namen des Königs jene Bitte zu wiederholen. Der schlichte, höchst bescheidene Professor machte sich auf den Weg und stand nun einem Fürsten gegenüber, den ganz Europa bewunderte. Gellerts natürliche Schüchternheit lähmte ihm aber die Zunge nicht und er benutzte die Gelegenheit, Friedrich dem Großen in der edelsten Freimüthigkeit einiges ans Herz zu legen. Namentlich erinnerte er den König an die verheerenden Folgen des blutigen Krieges und bat ihn, Deutschland recht bald den Frieden wiederzugeben. Mit der größten Leutseligkeit entließ ihn der König und lud ihn ein, recht bald wiederzukommen. Ebenso unter- hielten sich die beiden Brüder des Königs (Heinrich und Karl) oft mit dem berühmten Professor und schenkten ihm ein Pferd, damit er zur Stärkung seiner Gesundheit ausreiten könnte. — Alle Stände, hohe und niedere, beeiferten sich, dem edlen Manne Beweise ihrer Dankbarkeit und Hochachtung an den Tag zu legen. Stimmten bei irgend einem Menschen Wort und That, Lehre und Leben so ganz mit einander überein, so war es bei Gellert. Er predigte nicht anderen und wurde selbst verwerflich. Um jetzt nur etwas hervorzuheben, so hatte er in dem Liede: So jemand spricht: ich liebe Gott 2c. nicht blos im zweiten Verse gesungen: Wer dieser Erde