— 329 — In demselben Jahre sollte auch die zweite Stadt unsers viel— geprüften Sachsenlandes des Krieges Drangsale bis aufs tiefste em- pfinden. Leipzig, durch seinen Handel eine der wohlhabendsten Städte, war im siebenjährigen Kriege von Friedrich schon bis aufs Blut aus- gesogen worden, indes es sollte noch härter kommen. Gegen Ende des Jahres 1760 setzte Friedrich alles in Bewegung, um sein Winter- quartier wieder in Sachsen halten zu können. Um dies zu ermöglichen, mußte Daun, der sich bei Torgau verschanzt hatte, zurückgedrängt werden, was dem Könige endlich auch am 4. November mit Hilfe seines berühmten Kavallerie-Generals Ziethen gelang. Nun rückte Friedrich mit seinem Heere nach Leipzig zu und schlug in dieser und um diese Stadt sein Winterquartier auf. Jetzt begann für Leipzig eine Zeit des unsäglichsten Elends. Kaum waren die von allen Mitteln bereits entblößten Einwohner im Stande, die Einquartierungslast länger zu tragen, sie sollten außerdem auch noch weit über 3 Millionen Mark baares Geld aufbringen. Das war eine Unmöglichkeit. Bittend wandte man sich an den König. Sein Herz hatte aber das blutige Geschäft des Krieges gegen fremde Noth empfindungslos gemacht. Friedrichs Antwort war Androhung von Feuerbrand, und damit die Leipziger dies nicht für leere Worte halten möchten, so ließ er sofort an den Häusern Pechkränze aufhängen. Zitternd blickten die geäng- stigten Einwohner nach diesen Verderben drohenden Brennstoffen. Die verlangte Summe Geldes konnte nicht erschwungen werden. Da ergriff Friedrich in seiner Härte eine Maßregel, die ein Schandfleck in seinem Charakter bleiben wird. Er ließ nämlich 120 der an- gesehensten Rathsmitglieder und Kaufleute ins Gefängniß werfen und 17 derselben mit Abführung auf die Festung Magdeburg bedrohen. Unter jenen Rathsherren befand sich auch ein Mann, der sich später bleibende Verdienste um Leipzig erwarb. Dieser Ehrenmann hieß Müller und wurde später Bürgermeister daselbst. Von seinen vielen Verdiensten um diese Stadt sei nur hervorgehoben, daß er auf den niedergerissenen Wällen und den ausgefüllten Stadtgräben liebliche Alleen und Gärten anlegen ließ. Diesem hochgeachteten Manne hat das dankbare Leipzig ein Denkmal errichtet. In jener unglücklichen Zeit mußte Müller mehrere Wochen lang in feuchtem Gefängnisse auf hartem Strohlager wie ein Verbrecher schmachten. Leipzigs Elend hätte einen Stein erweichen können, nur Friedrich blieb unerbittlich. Auch diesmal bestätigte sich die sehr oft gemachte Erfahrung: „Ist die Noth am größten, so ist die Hilfe am nächsten.“ Die Hilfe kam aus einer Stadt, von woher man sie wohl kaum erwartete. In Berlin war es, wo sich in dem Herzen eines mit irdischen Gütern reich gesegneten Mannes die innigste Theilnahme an der Noth seiner Mitmenschen regte. Diese zu mildern erkannte er als eine heilige Christenpflicht. Er wandte sich an den König und vermochte ihn