— 335 — welcher Veranlassung galt dies? Nach siebenjähriger Abwesenheit kehrte der Kurfürst — mit ihm auch der Premierminister Brühl — in sein Sachsenland zurück. Welch ein Wiedersehen nach einem so langen Zeitraume! Welch ein Bild der Verwüstung trat ihm namentlich in Dresden entgegen! Da galt auch — wenn auch im veränderten Sinne — Naemi's Wort: „Voll zog ich aus, aber leer hat der Herr mich wieder heimgeführt.“ Nun gab es Elend zu mildern, zerstörte Ortschaften wieder aufzubauen, Schulden zu tilgen, das herabgekommene Land wieder zu heben. Man zog z. B. Handwerker und Fabrikarbeiter in die Städte, man lieh Geld gegen geringe Zinsen aus, man errichtete Leihanstalten ꝛc. Das Jahr ging seinem Ende entgegen. Man schrieb den 5. Oktober. Am Hofe erschien man an diesem Tage in Gala, denn es war der 30. Jahrestag, an welchem der Kurfürst zum Könige von Polen gewählt worden war. Vormittags wohnte der Kurfürst dem Gottesdienste bei. Nachmittags war große Tafel. Die Tischgäste überließen sich der Freude. Plötzlich — es war 3¾5 Uhr — ver- wandelte sich diese in Bestürzung. Der Kurfürst sank, vom Schlage getroffen, entseelt in seinem Sessel zusammen. Die für den 7. Oktober eingeleiteten Festlichkeiten zur 67. Geburtstagsfeier des Kurfürsten verwandelten sich in Vorbereitungen zu seiner Beisetzung, welche am 12. Oktober in der Begräbnißgruft unter der katholischen Hofkirche erfolgte. Mit Friedrich Augusts Tode hatte Brühl seine Rolle ausgespielt. Er trat vom Schauplatze seiner öffentlichen Wirksamkeit zurück und folgte merkwürdigerweise noch in demselben Monate seinem fürstlichen Herrn im Tode nach. 86. Die Hofnarren. In der Zeit von ungefähr 1450 bis zum Tode Friedrich August II. (1763) lebten an dem Hofe unserer Fürsten sogenannte Hosnarren, die durch ihre Späße, witzigen Einfälle, Possen und dergleichen den Fürsten und seinen Hofstaat belustigten. Da in dem letztgenannten Jahre dieses Narrenwesen, wenigstens an unserm Hofe, sein Ende erreichte, so muß hier zur genaueren Kenntniß jener Zeit einiges über dasselbe mitgetheilt werden. Zunächst sei bemerkt, daß nach damaligen Sitten fast an allen Höfen Narren gehalten wurden. Jetzt freilich finden wir diese Ein- richtung höchst sonderbar; allein man würde zu ganz falschen Ansichten gelangen, wollte man die frühere Zeit mit ihren Gebräuchen und Sitten nur nach unserer Anschauungsweise beurtheilen. Jeder Mensch fühlt das Bedürfniß, sich nach angestrengter Arbeit eine Erholung, eine Zerstreuung zu verschaffen. In frühester Zeit