— 351 — kochte man diese Gewächse zu Gemüse und verzehrte es mit Heißhunger als Delikatesse. Hier und da soll man sogar Wiesengras zerschnitten und gekocht haben. Im März 1772 brach in einem erzgebirgischen Dorfe eine Feuersbrunst aus, die so schnell um sich griff, daß das Vieh nicht gerettet werden konnte. Da schwankten halbverhungerte Gestalten daher und zogen mit Gefahr ihres Lebens das verbrannte Vieh aus den Flammen, um das Fleisch abzunagen. Sämmtliche Behörden des Landes beeiferten sich redlich, der furchtbaren Noth nach Kräften Abhilfe zu gewähren. In den Städten wurde Brot gebacken und unentgeltlich vertheilt oder gegen ganz geringe Entschädigung verkauft. Der Kurfürst öffnete seine Schatulle und ließ Tausende und aber Tausende von Thalern vertheilen. In der Zeit vom Mai bis September 1772 ließ er auf seine Kosten täglich Brot backen. Ferner wurde der Einfuhr von Getreide jede Erleichterung gewährt, und die Verwendung des Korns zu Branntwein aufs strengste verboten. — Wiederholt wurden von Haus zu Haus Kollekten gesammelt. — Was war dies alles aber unter so Vielel Durch den Genuß der unnatürlichen Lebensmittel brachen Seuchen aus, die im Jahre 1772 allein 75.000 bis 100000, nach manchen Angaben 150 000 Menschen dahinrafften. Aehrliche Noth wiederholte sich in den Theuerungsjahren 1804 und 1805. Obgleich das Hektoliter Korn die außerordentliche Höhe von 40— 45 -7 erreichte, so wurde die Noth doch nicht so bitter wie früher. Daß die Menschen geradezu verhungerten, kam fast gar nicht mehr vor. Die Kartoffel, die eine weitere Verbreitung gefunden, war es, welche ihren wohlthätigen Einfluß ausübte. Ein anderes schweres Unglücksjahr stellte sich 1784 ein, das zunächst die Uferbewohner der größeren Flüsse berührte. Nach einem kalten und schneereichen Winter kündigte sich plötzlich Thauwetter an. Ströme und Flüsse schwollen mit rasender Schnelligkeit an. Den Uferbewohnern drohte die größte Gefahr, denn die Wasserfluten er- reichten in den Elbgegenden eine Höhe, wie sie seit 129 Jahren (1655) nicht dagewesen war. Am 1. März 1784 wuchs das Wasser bis auf 5 bis 6 Meter. „Die Elbe bot einen schauderhaften Anblick dar. Große entwurzelte Bäume, Holzstücken, Balken, Bettstellen, Schränke, Theile von Gebäuden, ja ganze Giebel, an 40 Kähne und Schiffe kamen im Wogengedränge, mit den Eisschollen im Kampfe, heran- geschwommen und zerschellten von der Gewalt des Wassers an den Brückenpfeilern.“ Da das Wachsen der Fluten mit unbegreiflicher Schnelligkeit erfolgte:), so war der angerichtete Schaden um so größer. ) Am 28. Februar brach die Elbe auf und den 1. März (1784 war ein Schaltjahr) hatte das Wasser schon die Höhe von 5 bis 6 Meter erreicht. Eben so schnell fiel es wieder. Den 2. März ging es 2 und den 3. März 1½ Meter zurück.