— 352 — Zur Milderung der Noth wurde die Wohlthätigkeit sehr in Anspruch genommen und im ganzen Lande eine Kollekte gesammelt. Der Kurfürst allein gab im Ganzen über 100 000 Mark. In den Unglücksjahren 1771 und 1772 wurden die Landes- kassen doppelt in Anspruch genommen. Noch waren die blutigen Spuren des siebenjährigen Krieges nicht verwischt. Da gab es noch Kriegsschulden zu tilgen, da gab es Unterstützungen zur Milderung der Hungersnoth zu gewähren — überall, überall wollte Geld sein. Hatte man auch seit 1763 die Staatseinkünfte ausgezeichnet verwaltet, so wurden sie doch in dieser Zeit der allgemeinsten Noth erschöpft. Mehr Silbergeld prägen zu lassen, war unmöglich; da mußte die Regierung zu einem Auskunftsmittel verschreiten, das man in Sachsen bis 1772 nicht kannte. Es wurden nämlich 4½ Millionen Mark Papiergeld, Kassenbillets, ausgegeben. Seit dieser Zeit ist dieses Ersatzmittel des Silbergeldes in weit größerer Menge in Umlauf gekommen, und es wird jetzt an Landeskassen, sowie im Handel und Wandel zu gleichem Werthe angenommen. Papiergeld ist jetzt fast in allen europäischen Ländern den Silbermünzen gleich berechtigtes Geld geworden. Manchmal bietet sich Gelegenheit dar, einen Silberpfennig zu Gesicht zu bekommen. Seit dem Jahre 1772 sind dieselben in Sachsen durch die Kupferpfennige verdrängt worden. Bei kleinen Ausgaben, sowie bei Ausgleichungen machte sich bis zu diesem Jahre der Mangel an Pfennigen oft recht fühlbar. Die Silberpfennige wurden nämlich von manchen angesammelt und verkauft und dann wegen ihres reichen Silbergehaltes eingeschmolzen. Um dem vorzubeugen, stellte man 1772 das Ausprägen der Silberpfennige ein und ersetzte sie durch kupferne. Bis 1876 wurden noch Pfennige mit der Jahrzahl 1772 benutzt. Einige Jahre später (1778) wurden auch Heller geprägt, die man aber nach einiger Zeit wieder eingehen ließ. Ehe das 18. Jahrhundert zu Ende ging, lernten die Sachsen noch eine neue Scheidemünze kennen — es waren die Kupferdreier. Die mit der Jahrzahl 1779 versehenen sind die ältesten Münzen dieser Art. In der neueren Zeit werden Kupferdreier nicht mehr ausgeprägt. 92. Schullehrerseminarien. — Horge für die Tanbstummen.— Der erste Blitzableiter in Sachsen. — Die ersten Spinnmaschinen in Themnit. — Einimpfung der Schutzpocken. Der weise Sirach sagt: „Lerne zuvor selbst, ehe du Andere lehrest.“ Diese Ermahnung zu erfüllen, wurde bis vor ungefähr 90 Jahren den Lehrern Sachsens recht erschwert. So gern sie auch zuvor lernen wollten, ehe sie in der Schule die Jugend lehrten, so