— 353 — fanden sie hierzu nicht immer Gelegenheit. Seminare für Lehrer und Lehrerinnen, wie wir jetzt deren in unserm Vaterlande 19 besitzen, kannte man damals noch nicht. Sollte die Jugend in der Schule einen gründlichern Unterricht erhalten, so mußte man auch an Errichtung von Bildungsstätten für Lehrer denken. In Friedrichstadt-Dresden entstand 1788 das erste Schullehrer-Seminar. Konnten auch hier bei weitem nicht alle Jünglinge, welche sich dem Lehrerberufe widmen wollten, Aufnahme finden, so war doch zur Vorbereitung der Lehrer auf ihren wichtigen Beruf ein glücklicher Anfang gemacht. Später und noch neuerdings errichtete man dergleichen Anstalten auch in anderen Städten, und zwar in Annaberg, Auerbach, Bautzen (zwei), Borna, Dresden (zwei)h, Grimma (ein Haupt= und ein Neben-Seminar), Löbau, Nossen, Oschatz, Pirna, Plauen, Schneeberg, Waldenburg, Zschopau und (1856) ein Lehrerinnen-Seminar in Calluberg bei Lichtenstein und 1875 eins in Dresden. Aus diesen Anstalten werden jährlich über 300 geprüfte künftige Lehrer entlassen, nachdem sie dieselben 6 Jahre lang besucht haben. Der Taubstummen und Blinden Schicksal ist an sich schon ein höchst trauriges. Noch trauriger aber war es vor mehr als 80 Jahren, denn da geschah für ihre Ausbildung und für ihr künftiges Fortkommen so gut als gar nichts. Meistentheils überließ man diese Unglücklichen sich selbst und so verkümmerten sie an Körper und Geist. Einige Zeit vor Ausbruch des siebenjährigen Krieges wandte sich ein junger Mann nach Dresden, um hier sein Unterkommen durch Privatunterricht in den Familien zu suchen. Dieser Mann hieß Samuel Heinicke und war eines Landmannes Sohn aus der Weißenfelser Gegend. Unter anderen lernte der junge Heinicke in der einen Familie, deren Kinder er unterrichtete, einen taubstummen Knaben kennen. Dieses Kindes unglückliches Loos jammerte ihn, namentlich that es ihm in der Seele weh, daß der arme Verlassene ohne allen Unterricht dahinging. Einen Versuch, ob der Knabe nicht auch bildungsfähig sei, hielt Heinicke wenigstens der Mühe werth. Und siehe da, der Versuch übertraf seine Erwartungen. Die Schrecknisse des siebenjährigen Krieges zwangen Heinicken, Dresden zu verlassen, und wir finden ihn später als Lehrer in und dann bei Hamburg. Auch hier verwendete er einen Theil seiner Zeit auf den Unterricht taubstummer Knaben. Will man diesen kleinen Kreis von Zöglingen schon eine Anstalt nennen, so war dies das erste Taubstummeninstitut in Deutschland. Eines Tages erschien bei Heinicken Besuch aus Dresden. Es war ein Offizier. Sehr bald wurde dessen ganze Aufmerksamkeit durch den Unterricht in Anspruch genommen, welchen Heinicke seinen taubstummen Zöglingen ertheilte. Im Laufe der Unterhaltung gab Geschichte Sachsens. 23